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perten auch damit beauftragen, eine Empfehlung für bestimmte Entscheidungen zu geben. Die
Experten geben ihre Prognose unabhängig voneinander ab. Anschließend werden jedem Exper-
ten die Urteile der anderen Experten mitgeteilt; dies kann auch eine Mitteilung über ein durch-
schnittliches Gesamturteil der ganzen Gruppe sein. Die Experten überprüfen daraufhin ihr
Urteil und revidieren es, falls sie es für erforderlich halten. Diese neuen Urteile werden wieder
mitgeteilt und so weiter, bis - im günstigen Fall - die Urteile sich soweit angeglichen haben,
dass ein Konsens erzielt worden ist. Wird kein Konsens erreicht, wird nach einer bestimmten
Zeit das Verfahren abgebrochen und ggf. mit einer anderen Expertenrunde noch einmal durch-
geführt. Es sei nur angemerkt, dass dies Verfahren sich häufig praktisch bewährt hat und auch
gegenwärtig zahlreiche Anwendungen findet. 8
Da der Begriff „Experte“ hier wörtlich zu nehmen ist, liegt es nahe, dies Verfahren durch Ex-
pertensysteme zu unterstützen bzw. zu simulieren und hier auch Fuzzy-Methoden zu verwen-
den. Das ist auch mehrfach versucht worden, wobei hier allerdings ein Problem zu beachten ist:
Expertensysteme sind üblicherweise „statisch“, d. h. sie verändern weder ihre „Zustände“ noch
ihre Regeln, sondern werden einmal auf ein bestimmtes Problem angewandt. Eine Delphi
Gruppe von Experten dagegen repräsentiert ein dynamisches System in dem Sinne, dass die
Experten ihre Meinungen und ggf. auch die Regeln verändern, aufgrund derer sie bestimmte
Urteile gebildet haben. Bei Anwendungen der Delphi-Methode mit menschlichen Experten
kann dies unter anderem dadurch erreicht werden, dass jedem Experten nicht nur das Urteil der
anderen Experten mitgeteilt wird, sondern auch deren Begründungen (Regeln) für ihre Urteile.
Einer unserer Studenten, Richard Pohl, hat ein Tool für die Generierung von Fuzzy-Experten-
systemen entwickelt, die nach der Delphi-Methode interagieren und sich dabei auch verändern
können; das Gesamtsystem stellt demnach ein dynamisches System dar, in dem die Verände-
rungen von Zuständen und Regeln durch die Veränderungen der Expertenurteile und ggf. auch
deren Begründungsregeln repräsentiert werden. Ein Konsens wäre dann die Generierung eines
Punktattraktors; verbleibende dissente Meinungen wären zu interpretieren als die Generierun-
gen von Attraktoren mit Perioden größer als 1 oder mehrere Punktattraktoren. Da dieses Tool
natürlich technisch und algorithmisch etwas aufwendig ist, skizzieren wir hier lediglich seine
Grundlogik. Details dazu können über uns erhalten werden.
Ein menschlicher Experte wird repräsentiert durch ein einzelnes Expertensystem; eine Delphi
Runde wird demnach durch eine entsprechende Menge von einzelnen Expertensystemen darge-
stellt. Das Urteil eines Experten wird im gegenwärtigen Entwicklungsstadium durch eine un-
scharfe Zahl wiedergegeben; entsprechend sind die Eingaben, also die Problemvorgaben, eben-
falls durch unscharfe Zahlen repräsentiert. Da jeder künstliche Experte eine eigene P-Funktion
zur „Interpretation“ der Vorgaben haben kann, können im Extremfall die gemeinsamen Vorga-
ben von jedem künstlichen Experten unterschiedlich angenommen werden. Die Schlussregeln
können vom Benutzer durch bestimmte fuzzyfizierte Regeln pro künstlichem Experten einge-
geben werden; das Gleiche gilt für Defuzzyfizierungen.
8 Das Verfahren ist nach dem in der Antike berühmten Orakel von Delphi benannt, das allerdings
häufig durchaus mehrdeutige Antworten lieferte. So wird von dem lydischen König Krösus berichtet,
dass er auf die Frage, ob er ein Nachbarreich angreifen sollte, die Antwort erhielt: „Wenn Du den
Grenzfluss überschreitest, dann wirst Du ein großes Reich zerstören.“ Der König nahm an, dass damit
das feindliche Perserreich gemeint war, und führte sein Heer über den Fluss. Es wurde daraufhin in
der Tat ein großes Reich zerstört, aber leider sein eigenes, da er von den Persern vernichtend
geschlagen wurde. Uns ist nicht bekannt, wie häufig die moderne Anwendung der Delphi Methode zu
ähnlichen Irrtümern geführt hat.
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