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5.5 Experten- und Produktionssysteme sowie Defuzzyfizierungen
Fuzzy-Methoden bieten wie eingangs erwähnt, zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, die vor
allem in der Kombination mit anderen Basistechniken wirksam werden. Auf die Möglichkeit,
Fuzzy-Zellularautomaten zu konstruieren und damit so etwas wie eine unscharfe Kombinatorik
zu realisieren, werden wir am Ende dieses Kapitels durch das Beispiel eines Fuzzy-ZA noch
zurückkommen; am Ende des vorigen Kapitels ist bereits auf die so genannten Neuro-Fuzzy-
Methoden verwiesen worden, die sich aus einer Kombination von Fuzzy-Methoden und neuro-
nalen Netzen ergeben (unter anderen Bothe 1998). Die bekannteste Verwendungsart, die den
Fuzzy-Methoden auch in Technik und Wirtschaft zum Durchbruch verhalf, ist freilich die
„Fuzzyfizierung“ von so genannten Expertensystemen.
Expertensysteme sind ursprünglich ein Produkt der Forschungen über Künstliche Intelligenz
(KI); sie repräsentieren den so genannten symbolischen KI-Ansatz, da es hier darum geht,
menschliches Wissen und insbesondere das von Experten in symbolischer Form darzustellen,
d. h., gewöhnlich als sprachliche Begriffe und einschlägige Kombinationsregeln. Neuronale
Netze dagegen repräsentieren den so genannten subsymbolischen KI-Ansatz, da das Wissen
hier meistens nicht symbolisch codiert wird (siehe oben). Expertensysteme sind gewöhnlich
charakterisiert durch eine Wissensbasis, die üblicherweise aus zwei Teilen besteht, nämlich den
Fakten und den Regeln (Herrmann 1997; Görtz 1993).
Fakten stellen das eigentliche Wissen dar und lassen sich einfach als eine Datenbank verstehen.
Die Regeln dagegen repräsentieren die Art, in der ein Experte mit dem Wissen problemlösend
umgeht. Expertensysteme werden demnach eingesetzt zur Unterstützung bei der Lösung spezi-
fischer Probleme auf der Basis bestimmten Wissens. Das Problem bei der Konstruktion von
Expertensystemen, wenn man spezielle menschliche Problemlösungsfähigkeiten mit ihnen
modellieren will, besteht vor allem in der Konstruktion der Regeln: Menschliche Experten
können zwar gewöhnlich gut angeben, über welches Wissen sie in Form von Fakten verfügen,
aber sie können nur sehr bedingt erläutern, wie sie dies Wissen für Problemlösungen anwen-
den.
Eines der ersten und berühmtesten Expertensysteme ist das in den achtziger Jahren konstruierte
medizinische Diagnosesystem MYCIN (vgl. auch das Diagnosebeispiel im vorigen Kapitel).
Als Fakten waren in MYCIN implementiert a) Krankheitssymptome, b) bestimmte Krankhei-
ten und c) mögliche Behandlungen. Die Regeln bestehen in der Kombination von Symptomen
mit Krankheiten sowie Therapien. Eine Anfrage an MYCIN in Form einer Angabe von Symp-
tomen liefert dann bestimmte Krankheiten als Ursachen - ggf. mit Wahrscheinlichkeitswerten
versehen - sowie Vorschläge für Therapien. Am Ende des vorigen Kapitels haben wir gezeigt,
dass man derartige Diagnosesysteme allerdings auch durch neuronale Netze konstruieren kann.
Die nahezu zahllosen Expertensysteme, die es mittlerweile vor allem in Wirtschaft und Tech-
nik gibt, operieren im Prinzip nach diesem Muster: Vorgelegt werden bestimmte Eingaben
(= Fakten), die z. B. bei technischen Kontrollsystemen Temperatur- und Druckwerte sein kön-
nen; die Regeln des Expertensystems, gewöhnlich als Inferenzregeln bezeichnet, verarbeiten
die Eingaben und geben darauf Ausgaben z. B. in Form von Antworten auf Anfragen, Steue-
rungsbefehle bei Kontrollaufgaben u. Ä. m.
Die Bezeichnung „Expertensysteme“ für diese Systeme ist nebenbei gesagt nicht sehr glück-
lich, da es sich bei derartigen Systemen nicht unbedingt um Wissens- und Problemlösungsmo-
dellierungen menschlicher Experten handeln muss. Steuerungssysteme für einfache technische
Anlagen wie z. B. Heizungsregler erfüllen dies Kriterium nur sehr bedingt. Logisch korrekter
wäre es, von wissens - bzw. regel basierten Systemen zu sprechen oder noch allgemeiner von
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