Environmental Engineering Reference
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4.4.3
Zusammenfassung der kulturellen Diskussion
Wie erläutert weisen die kulturellen, historischen oder auch ästhetischen Anschauungen
nur einen sehr vagen Verpflichtungscharakter auf. Um hierfür ein Beispiel zu bringen:
Wenn das regionale Umfeld die energetische Verwertung einer Kulturpflanze aufgrund
ihrer symbolischen Bedeutung ablehnt, ist kein unbedingt geltendes ethisches Gebot
daraus abzuleiten, diese Pflanze nicht länger dem energetischen Verwertungspfad zuzu-
führen. Auch wenn „Kultur“ nicht unmittelbar normiert, wirkt sie dennoch prägend auf
die Überzeugungen, mit denen Personen angesichts von Innovationen moralisch Stellung
nehmen. Zugleich ist es aber gerade der geschichtlich vermittelte Gemeinschaftszusam-
menhang von Kultur, der in der Auseinandersetzung um das Themenfeld „Technik und
Natur“ moderierend und historisch aufklärend wirken kann.
Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für den Landwirt aus der geschilderten
Diskussion der kulturellen Aspekte gewinnen? Ein gütliches Zusammenleben erschöpft
sich nicht in einem Rückzug auf ethisch fundierte Argumente. Zum Zwecke des sozialen
Friedens und einer guten Nachbarschaft ist der Landwirt also gut beraten, erstens um der-
artige kulturelle Vorbehalte und Anschauungen zu wissen, und sie zweitens - in welcher
Form ihm dies auch immer möglich ist - zu berücksichtigen. Dies kann derart erfolgen,
dass er von zwei wirtschaftlich gleichrangigen Optionen jene wählt, die kulturellen Wert-
zuschreibungen im Verhältnis zur anderen weniger verletzt. Andererseits ist bereits allein
die Thematisierung dieser Themenfelder ein wesentlicher Schlüssel für die Entschärfung
eines etwaigen Konflikts mit dem regionalen Umfeld.
Denn eines zeigen die oberen Ausführungen deutlich: Will man die Diskussion trans-
parent gestalten und den Konflikt versachlichen, so genügt es nicht, eine Abwägung von
Risiken und Nutzen der Bioenergietechnologien vorzunehmen. Der Konflikt erschöpft
sich eben nicht in einer Kosten-Nutzen-Rechnung, sondern ist von emotionalen, kultu-
rellen Aspekten gespeist. Dieser Befund ist für Kommunikationsmaßnahmen, die eine
höhere Akzeptanz von Energie aus Biomasse herstellen wollen, von zentraler Bedeutung:
Eine Ausblendung der kulturellen Dimensionen und eine Fokussierung auf die Chancen-
Risiken-Abwägung bedeutet eine nicht adäquate Reduktion der Debatte und ihrer Kom-
plexität. Sollen z. B. partizipative Diskussionsprozesse als Maßnahme der Einbindung der
Öffentlichkeit erfolgreich sein, müssen sie die kulturellen Aspekte aktiv zum Thema ma-
chen. In der Landwirtschaft geht es nicht nur um die gewachsene und gepflegte Natur
einer Landschaft, sondern auch um die Kultur eines Berufsstands.
Generell geht es in der Debatte um Energie aus Biomasse stets auch um einen gesell-
schaftlichen Aushandlungsprozess über Landwirtschaft: Reden wir über Energie aus Bio-
masse, so reden wir immer auch über die Rolle der Landwirtschaft, über alte und neue
Agrarkonzepte und über Fragen, welche Formen der Landwirtschaft gesellschaftlich ge-
wünscht und als zukunftsträchtig angesehen werden.
Die Debatte um Energie aus Biomasse könnte hierbei als Ausgangspunkt einer grund-
sätzlichen und offenen Debatte über zeitgemäße und zukunftsfähige Konzepte der Land-
wirtschaft dienen, welche Landwirtschaft gleichermaßen als gewinnorientiertes Unterneh-
men mit pluralen Produktionspfaden wie auch als eine traditionell und kulturell maßgeb-
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