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In diesem Zusammenhang ist ebenso eine kritische Anfrage an die Selbstinszenierung
der Landwirtschaft zu stellen: Möglicherweise gilt es, die gängige Kommunikationsstrate-
gie, Landwirtschaft als Idylle zu inszenieren, zu überdenken. Wo Idylle inszeniert wird, wo
Sehnsüchte befriedigt werden, dort findet man vor allem in Krisenzeiten nur schwerlich zu
einem sachdienlichen Ton im Diskurs zurück. Eine Aufgabe zukünftiger Forschungsarbeit
könnte es daher sein, der Frage nachzugehen, wie im Agrarmarketing ein (realitätsnähe-
res) Bild der Landbewirtschaftung transportiert werden kann, das sich nicht in teilweise
lebensfremden Ansprüchen an die Landwirtschaft niederschlägt.
4.3.6
Technikskepsis in der Wahrnehmung von Landwirtschaft
In Zusammenhang mit den beiden zuvor ausgeführten Punkten ist die Technikskepsis in
der Wahrnehmung von Landwirtschaft zu verstehen. Hierbei gilt es zwei Arten zu unter-
scheiden: 1) Die Technikskepsis, welche mit den kulturellen Dimensionen der bäuerlichen
Arbeit zusammenhängt, und 2) jene Skepsis, die konkreten Technologien im Umgang mit
der Natur gegenüber zu beobachten ist.
1) Während der technische Fortschritt in anderen Wirtschatszweigen (man denke an
die Automobilindustrie oder den Informations- und Kommunikationstechnologiesektor)
willkommen geheißen wird, steht die Bevölkerung der Technisierung der Landwirtschat
gegenwärtig otmals skeptisch gegenüber: Landwirtschatliche Produkte sollen möglichst
„natürlich“ und „ursprünglich“ hergestellt sein. Ein hoher Technisierungsgrad wird dabei
in der Regel kritisch gesehen.
Woran liegt es, dass Landwirtschaft hierbei so ganz anders von breiten Bevölkerungs-
schichten wahrgenommen und beurteilt wird? Warum heißt das Zauberwort in anderen
Wirtschaftsformen „Fortschritt“, während von der Landwirtschaft oftmals das genaue
Gegenteil, nämlich Stillstand und Beschaulichkeit erwartet wird? Eine einfache, mono-
kausale Antwort ist hierauf sicherlich nicht möglich, es ist jedoch zu vermuten, dass die
beiden zuvor ausgeführten Gedanken - nämlich Natürlichkeit als allgemeiner Wert einer-
seits; Landwirtschaft als besonderer, als ursprünglich und idyllisch empfundener Berufs-
stand andererseits - hierbei eine zentrale Rolle spielen.
Wie bereits weiter oben diskutiert, werden Kultur, genauer Technik und menschliche
Eingriffe, oftmals als „zerstörerische Gegenkraft zur guten und unverdorbenen Natur“
(Sawicka 2008, S. 178) empfunden. Technische Innovationen auf einem Berufsfeld, das es
primär mit dem Umgang mit der Natur, sprich mit dem Umgang mit dem Lebendigen zu
tun hat, werden aus dieser Perspektive als heikel empfunden.
Dabei ist auch ein anderer Zugang denkbar: Landwirtschaft könnte ebenso - so wie an-
dere Berufe - als eine frühe, primitive Wirtschaftsform verstanden werden, die im Lauf der
Geschichte technisch verfeinert und verbessert wurde und immer noch wird. Aus dieser
Perspektive wären technische Innovationen begrüßenswert. Allein, diese Sicht der Dinge
ist gegenwärtig bei breiten Bevölkerungsgruppen nicht die vorherrschende.
Dieser Befund wird durch die gängigen Agrarmarketingstrategien belegt, in denen der
technische Fortschritt so gut wie ausgeblendet wird: „Die neuesten Traktoren, Melkma-
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