Environmental Engineering Reference
In-Depth Information
4.3.3
Die Landschaft als Kulturgut
Das kulturelle Selbstverständnis und die Identität einer Region stehen in einem engen
Zusammenhang mit ihrer landschaftlichen Charakteristik. So wird gerade die bayerische
Kulturlandschaft maßgeblich von der Landwirtschaft geprägt. Im nationalen wie interna-
tionalen Vergleich weist die bayerische Landwirtschaft klein- und mittelbäuerliche, also
kleinräumige Strukturen auf: 69 % der Betriebe sind kleiner als 30 Hektar landwirtschaft-
lich genutzter Fläche (Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten 2008,
S.  30). Die Betriebe in Bayern sind demnach vergleichsweise klein und über das Land
verteilt. Dadurch werden auch periphere Lagen, die oft nur eine geringe Wirtschaftskraft
aufweisen, in der Regel bewirtschaftet (Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft
und Forsten 2008, S. 31).
Die Pflege und Wahrung der Kulturlandschaft durch die landwirtschaftliche Arbeit ist
dabei nicht nur hinsichtlich der Identität der Regionen, sondern auch mit Blick auf den
Tourismus relevant. Auf die Bedeutung der Landwirtschaft für den bayerischen Raum im
Allgemeinen und für den Tourismus im Besonderen wird entsprechend auch in den Ziel-
setzungen der bayerischen Agrar- und Forstpolitik explizit hingewiesen, so heißt es dort:
„Eine flächendeckende Landbewirtschaftung und damit Pflege und Gestaltung einer at-
traktiven Kulturlandschaft soll - nicht zuletzt mit Blick auf den Tourismus - aufrechterhal-
ten bleiben“ (Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten 2008, S. 17).
Landschaft ist das zentrale Element im gegenwärtigen Tourismus. Stand in früheren
Jahrzehnten beispielsweise noch die Infrastruktur einer Region im Vordergrund der Tou-
rismuswerbung, steht heute der landschaftliche Vorzug im Fokus (Spittler 2001, S.  627).
Die Werbung reagiert damit auf die Wünsche der Reisenden. Analysen ergaben, dass schö-
ne Landschaften und eine intakte Natur entscheidende Kriterien für deutsche Urlauber bei
der Wahl ihrer Destination sind (Spittler 2001, S. 628). Auch Forschungen zum Urlaubs-
verhalten betonen hierbei die Bedeutung der Landwirtschaft: „Dabei ist es weniger die
vollkommen unbeeinträchtigte und ungenutzte Naturlandschaft, die der Tourist in seiner
überwiegenden Mehrzahl sucht, als mehr eine ‚harmonische' Kulturlandschaft, die im Un-
terschied zur Naturlandschaft eine durch menschliche Nutzungen gestaltete Landschaft
darstellt. Die Landwirtschaft hat demnach eine große Bedeutung für die Erholungsland-
schaft.“ (Spittler 2001, S. 629).
In anderen Worten: Die Pflege und der Erhalt einer als reizvoll empfundenen Kultur-
landschaft sind gesellschaftlich erwünscht. Gerade in Bayern wird die landschaftliche Cha-
rakteristik mancher Regionen - und in diesem Zusammenhang auch die Kleinstruktu-
riertheit der Landwirtschaft - als Kulturgut wahrgenommen und kommuniziert.
Die Debatte um Energie aus Biomasse berührt an diesem Punkt also nicht nur die Frage
nach der Kulturlandschaft, sondern auch jenen der klein- und mittelbäuerlichen Struk-
turen der Landwirtschaft. Teilweise verläuft die Diskussion hierbei verquer: Der Wirt-
schaftszweig der Energiegewinnung aus Biomasse wird oftmals mit dem Strukturwandel
in der Landwirtschaft gleichgesetzt oder zumindest kausal in Verbindung gebracht. Dieser
Strukturwandel setzte jedoch bereits vor dem Boom von Energie aus Biomasse ein und
Search WWH ::




Custom Search