Environmental Engineering Reference
In-Depth Information
Aufgabe der Politik, ohne dass dabei die Frage nach der persönlichen Verantwortung ver-
schwindet.
Internationale Nahrungsmittelkonsumenten Die Diskussion über die Auswirkungen
von Bioenergietechnologien auf die Nahrungssicherheit auf internationaler Ebene ist
Terrain heftiger Kontroversen. Das aus ethischer Perspektive zu berücksichtigende Inte-
resse der internationalen Nahrungsmittelkonsumenten ist deckungsgleich mit jenem hei-
mischer Nahrungsmittelkonsumenten: Sie haben ein Interesse an sicherer, hochwertiger
und erschwinglicher Nahrung. Dieses Interesse ist ethisch nicht nur im Hinblick auf das
Prinzip des Wohlergehens und der Autonomie relevant, sondern seiner Berücksichtigung
kommt auch im Lichte des Prinzips der Gerechtigkeit, aus dem die Forderung nach inter-
nationaler Gerechtigkeit erwächst, hohe Bedeutung zu.
Die öffentliche Debatte um Bioenergietechnologien streift demnach die Diskussion
über Ursachen und Bekämpfungsstrategien des Welthungers. Laut aktueller Zahlen der
Food and Agriculture Organization sind gegenwärtig 842 Millionen Menschen vom Hun-
ger betroffen, wobei in den vergangenen Jahren sowohl die absolute Zahl als auch der
relative Anteil hungernder Menschen bei gleichzeitig gestiegener Bevölkerungszahl abge-
nommen hat. Es ist hierbei weitgehender common sense , dass die Ursachen des Welthun-
gers nicht monokausal in einer Nahrungsmittelknappheit zu suchen sind, sondern dass
vielschichtige Verflechtungen von sozialen, politischen, ökonomischen und klimatischen
Faktoren zum gegenwärtigen Missstand beitragen (Food and Agriculture Organization of
the United Nations 2013).
Kritiker argumentieren, dass auch die Energiegewinnung aus Biomasse in Deutsch-
land einen Beitrag zur Verschärfung des Problems des Welthungers leistet: Der Anbau von
Energiepflanzen benötigt Ackerflächen und steht somit in direkter Flächenkonkurrenz
zur Nahrungsmittelproduktion. Der Weltagrarbericht 2009 schreibt hierbei besonders
Pflanzentreibstoffen der ersten Generation ein Risikopotential hinsichtlich der globalen
Nahrungssicherheit zu, da diese große Mengen an Nutzpflanzen beanspruchen (Interna-
tional Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development
2009, S.  113). Des Weiteren verweisen Kritiker auf den Zusammenhang zwischen dem
Bioenergieboom in den Industrieländern und den global steigenden Lebensmittelpreisen
(Mitchell 2008). Festzuhalten ist hierbei allerdings, dass auch andere Wirkzusammenhän-
ge beobachtet wurden. Laut einer aktuelleren Veröffentlichung der Weltbank (Baffes und
Haniotis 2010) hat die Produktion von Bioenergie weit weniger Einfluss auf die Preisent-
wicklung im Agrarsektor als ursprünglich von Mitchell (2008) angenommen. So sei es
bemerkenswert, dass sich Maispreise in den USA während der ersten Bioethanol-Welle
kaum veränderten und Rapspreise sogar sanken, als die EU den Biodieselverbrauch enorm
vorantrieb. Des Weiteren erreichten die Preise ihre Höhepunkte während der Ethanolver-
brauch in den USA zurückging und sich der Biodieseleinsatz in der EU stabilisierte.
Im medialen wie gesellschaftlichen Diskurs wird diese Diskussion oftmals unter dem
Schlagwort „Teller-Tank-Konflikt“ behandelt. Es darf unstrittig genannt werden, dass das
Interesse an sicheren, hochwertigen und bezahlbaren Nahrungsmitteln aus ethischer Pers-
Search WWH ::




Custom Search