Environmental Engineering Reference
In-Depth Information
Für die ethische Beurteilung ist dabei grundsätzlich festzuhalten, dass eine Handlung
(also hier: der Anbau von Biomasse zur energetischen Nutzung), die die Wahrung von
gerechtfertigten Interessen ermöglicht bzw. sogar erleichtert, positiv zu bewerten ist, wäh-
rend jede Handlung, die die Wahrung von gerechtfertigten Interessen einschränkt bzw.
sogar verunmöglicht, negativ zu bewerten ist. Hierbei ist stets zu reflektieren, wer für die
Berücksichtigung welcher Aspekte verantwortlich ist.
4.2.1
Betroffene
Landwirte
Die ersten und unmittelbaren Betrofenen sind die Landwirte. Bei ihnen las-
sen sich vier ethisch relevante, moralisch gerechtfertigte Interessen feststellen:
1. Der Landwirt hat das Interesse, durch sein Handeln das ökonomische Auskommen sei-
ner selbst und seiner Angehörigen bzw. der von ihm Abhängigen zu sichern oder es sogar
zu verbessern. Die Möglichkeit, Biomasse für die energetische Nutzung anzubauen,
kann zur Diversifizierung seines wirtschaftlichen Angebots führen. Gerade in struktur-
schwachen ländlichen Räumen könnten sich durch den Bioenergiesektor hierbei neue
Möglichkeiten ergeben, Einkommen, Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern bzw. zu
schaffen (Funk 2009, S. 107). Sollten darüber hinaus aufgrund der Flächenkonkurrenz
die Preise für den Anbau von Nahrungs- und Futtermittel steigen, könnten vom Anbau
von Biomasse auch diejenigen Landwirte profitieren, die selbst nicht Biomasse zu Ener-
giezwecken anbauen. Durch eine Erhöhung der Pachtpreise für landwirtschaftliche Flä-
chen kann sich die Flächenkonkurrenz allerdings auch negativ für alle auf zugepachtete
Flächen angewiesene Landwirte auswirken. Dies birgt - besonders in Gebieten mit viel
Viehhaltung - ein hohes Konfliktpotential der Landwirte untereinander.
Im Hinblick auf das Prinzip des Wohlergehens ist dieses Interesse an der Sicherung bzw.
Verbesserung des ökonomischen Auskommens grundsätzlich moralisch legitimiert.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Landwirt deswegen noch kein moralisches
Recht darauf hat, sein ökonomisches Auskommen durch den Anbau von Biomasse
für die Energiegewinnung zu sichern. Ihm stehen ja auch andere Arten der Bewirt-
schaftung offen. Sein Interesse an einem ökonomischen Auskommen ist demnach ein
berechtigtes Anliegen, welches moralisch jedoch nicht besonders schwer ins Gewicht
fällt - es sei denn, es ist in existenzbedrohender Weise betroffen.
Aufgrund der Tatsache, dass der Landwirt durch staatliche Subventionen und politische
Ordnungsmaßnahmen gefördert wird, die seinen Handlungs- und Entscheidungsraum
massiv beeinflussen, beinhaltet das moralisch gerechtfertigte Interesse am ökonomi-
schen Auskommen auch eine Aufforderung an die Politik zu einer kohärenten agrar-
politischen Strategie, die dem Landwirt Planungssicherheit ermöglicht.
2. Auch das Interesse des Landwirts an guten Arbeitsbedingungen ist hinsichtlich des
Prinzips des Wohlergehens gerechtfertigt. Durch die gesetzlichen Regelungen ist in
Deutschland diesbezüglich ein Mindeststandard gesichert. Zwar könnten sich durch
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