Environmental Engineering Reference
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gen verantwortlich zu machen, jedoch hat er den Prozess in seinen vorhersehbaren Fol-
gen zu reflektieren und in seine Planung mit einzubeziehen. Sollte er um schwerwiegende
Schäden durch den Prozess der Verwertung wissen und diese in Kauf nehmen, ist er - ab-
hängig von den Möglichkeiten einer Alternative - für diese mitverantwortlich zu nennen.
Eine Streitfrage hinsichtlich der Verantwortung des Landwirts entsteht mit Blick auf
die internationale Ebene: Während der Landwirt eindeutig für Schäden auf seinem Grund
und Boden moralisch verantwortlich ist, ist über den Grad seiner Zuständigkeit für nicht-
intendierte Auswirkungen seines Handelns beispielsweise in Entwicklungsländern schwer
zu entscheiden. So kann der Landwirt aktiv Maßnahmen zum nachhaltigen Anbau von
Biomasse auf seinen Agrarflächen umsetzen, während seine Bewirtschaftungsumstellung
von Nahrungsmittel- auf Biomasseproduktion für die energetische Verwertung unter Um-
ständen zu höheren Importen von Agrarrohstoffen, Nahrungs- und Futtermitteln aus Ent-
wicklungsländern führen könnte. Diese notwendig werdenden Importe könnten positive
Folgen in Form von höheren Einkommen für Kleinbauern bedeuten. Andererseits könnten
sie nicht nur die Nahrungssicherheit in diesen Ländern gefährden, sondern gegebenenfalls
auch zu massiven Umweltschäden durch die landwirtschaftliche Praxis vor Ort führen.
In diesem Fall würde der Landwirt aktiv und umweltethisch reflektiert Naturschutz be-
treiben und gleichzeitig Teil einer komplexen internationalen, maßgeblich ökonomisch
bestimmten Dynamik sein, die Umweltschäden in anderen Regionen der Erde mit sich
bringt. Derartige Dynamiken sind gerade für ökologische Probleme oftmals kennzeich-
nend: „Ökologische Probleme sprengen Grenzen, denn sie haben die für die meisten Prob-
leme charakteristische lokale Eingrenzbarkeit verloren, es sind globale Probleme.“ (Schäfer
1999, S. 77).
Die ethische Problematik des Energiepflanzenanbaus liegt in der Regel nicht auf der
Ebene der Einzelentscheidungen, sondern ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umfang der
Nutzung, sprich aus der Summe der Einzelentscheidungen. Diese zu kanalisieren ist we-
sentliche Aufgabe der Politik. Die Verantwortung für derartige nicht-intendierte Auswir-
kungen auf globaler Ebene lässt sich also nicht primär dem einzelnen landwirtschaftlichen
Akteur zuschreiben, vielmehr handelt es sich um den Verantwortungsbereich der nationa-
len wie vor allem der internationalen Politik (Vogt 2002, S. 6). Wenngleich die Ebene der
globalen Zusammenhänge und Wechselwirkungen nicht außer Acht gelassen werden darf
und auch der einzelne Landwirt dazu angehalten ist, sie in seine Reflexion mit einzube-
ziehen, würde eine primäre Verantwortungsverortung dieser Konflikte in der Mikroebene
eine moralische Überforderung bedeuten.
In diesem Zusammenhang ist es darüber hinaus von Bedeutung, nicht nur die mög-
lichen nicht-intendierten negativen Konsequenzen landwirtschaftlicher Praxis für Ent-
wicklungsländer zu thematisieren, sondern die Lebensführung in den Industrieländern
prinzipiell kritisch zu diskutieren: Es sind nicht nur lokale Entscheidungen in der Land-
wirtschaft, die gegebenenfalls zu schädlichen Auswirkungen in ärmeren Regionen führen,
sondern auch beispielsweise der verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln, der steti-
ge Wunsch nach immer niedrigeren Preisen, der Individualverkehr oder der hohe Energie-
verbrauch in den Ländern des Westens.
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