Environmental Engineering Reference
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nicht-anthropozentrische Position begründet (je nach Weite ihrer moralischen Gemein-
schaft) die Bewahrung der natürlichen Fülle mit dem Eigenwert der Natur. Eine anthropo-
zentrische Umweltethik erkennt hingegen im instrumentellen Wert der Biodiversität für
den Menschen das Gebot ihres Schutzes: Eine höhere Biodiversität bedeutet nicht nur ein
sichereres Überleben, die Vielfalt der Natur muss darüber hinaus als Quelle ästhetischer
und sinnlicher Naturerfahrung verstanden werden (vgl. Kap. 2.3.4).
Aus ethischer Perspektive ist der Schutz der Biodiversität - nicht zuletzt unter beson-
derer Rücksichtnahme auf die Sicherstellung grundlegender Bedürfnisse zukünftiger Ge-
nerationen - demnach geboten. Wie auch bei den Gütern Boden, Wasser und Luft haben
hierbei für jede landwirtschaftliche Praxis - für den Nahrungsmittel- wie auch für den
Energiepflanzenanbau - dieselben Kriterien zu gelten.
(Energie-)Pflanze Nutzpflanzen werden in der umweltethischen Diskussion nicht
berücksichtigt. Obwohl sie quasi im Mittelpunkt der landwirtschaftlichen Praxis stehen,
findet die Frage ihres ethischen Wertes in den gängigen Nachhaltigkeitsmodellen wie auch
im gesellschaftlichen Diskurs zumeist keine Thematisierung. Die Erhaltung verschie-
dener Arten wird als Gut wahrgenommen und unter dem Schlagwort der Biodiversität
berücksichtigt. Dass die konkrete Pflanze, die im Anbau verwendet wird, eine Rolle in den
umweltethischen Reflexionen spielen könnte, wird jedoch meist nicht einmal in Erwägung
gezogen.
An dieser Stelle bricht die oben ausgeführte Zweiteilung zwischen anthropozentrischer
und nicht-anthropozentrischer Position nochmals in aller Deutlichkeit auf: Während eine
anthropozentrische Umweltethik der individuellen Pflanze keinen Wert beimisst, lehnt
eine radikale Spielart einer nicht-anthropozentrischen Position die Instrumentalisierung
eines Lebewesens (sprich der Pflanze) für menschliche Bedürfnisse (in diesem Fall: für
die Energiegewinnung) aus ethischen Gründen ab. Unabhängig davon, dass die philoso-
phische Begründung dieser Position als heikel bezeichnet werden muss, widerspricht sie
auch unserer Intuition, nach der menschliches Leben stets höher gewichtet wird als nicht-
menschliches. Darüber hinaus führt sie - wie weiter oben diskutiert - zu unlösbaren Kon-
flikten in der alltäglichen Praxis (vgl. Kap. 2.3.4).
Dennoch handelt es sich bei der Debatte um den moralischen Status der Pflanze nicht
nur um eine theoretische Streitfrage der akademischen Ethik. In der Schweiz wird bei-
spielsweise seit Jahren auch auf politischer Ebene darüber diskutiert, inwieweit der Mensch
eine moralische Verantwortung gegenüber Pflanzen besitzt. In einer Volksabstimmung im
Jahr 1992 hat die Mehrheit der schweizerischen Bevölkerung einem Verfassungsartikel zu-
gestimmt, nach dem der „Würde der Kreatur“ - und damit auch der Würde der Pflanze
- Rechnung zu tragen ist (für einen Überblick über die damalige Diskussion vgl. Balzer
et al. 1999).
Hat diese Regelung - abgesehen von einer grundsätzlichen Sensibilisierung für die
menschliche Verantwortung gegenüber der nichtmenschlichen Natur - irgendwelche Fol-
gen? Zur Konkretisierung dieses Gesetzes und zur Klärung der Frage, welche praktischen
Konsequenzen die Würde der Kreatur für den Umgang mit nichtmenschlicher Natur mit
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