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Objekt anzuerkennen, gilt den nicht-anthropozentrischen Theorien dabei als Symptom
und Wurzel der ökologischen Krise.
Drei prominente Konzepte einer nicht-anthropozentrischen Umweltethik sollen kurz
skizziert werden:
Im Anschluss an die These Benthams, dass die relevante Frage hinsichtlich der mora-
lischen Gemeinschaft nicht lautet, ob Wesen denken und sprechen, sondern ob sie leiden
können (Bentham 1996), fordern Vertreter des Pathozentrismus (vom Griechischen „ pa-
thos “: Leid) den Status eines moral patient für alle leidensfähigen Lebewesen ein. Von em-
pirisch wahrnehmbaren Reaktionen auf Schmerz (wie Fluchtverhalten, Schreie, Zittern)
und der Ähnlichkeit zwischen tierischem und menschlichem Nervensystem wird abge-
leitet, dass höher entwickelte Tiere in der Lage sind, ähnlich wie der Mensch Erlebnisse
wie Schmerz oder Wohlbefinden empfinden zu können. Wer leiden „kann“, so die Argu-
mentation, hat ein Interesse an einem guten (oder zumindest leidensfreien) Leben. Dieses
Interesse muss in einer Interessensabwägung adäquate Berücksichtigung finden, so der
Konsens pathozentrischer Theorien (Singer 1982; Wolf 1990). Eine klare Grenzziehung
zwischen leidensfähigen und nicht-leidensfähigen Wesen mag dabei nicht gelingen und
bleibt umstritten; in der Regel bezieht die pathozentrische Position zumindest „höhere“
Tiere wie Säugetiere in die moralische Gemeinschaft mit ein.
Die biozentrische Position (vom Griechischen „ bios “: Leben) dehnt die Weite der mo-
ralischen Gemeinschaft auf alles Lebendige aus: Etwas ist schützenswert, weil und insofern
es lebendig ist. In diesem Konzept werden also nicht nur (leidensfähige) Tiere, sondern
alle Lebewesen, unabhängig von ihrer Organisationshöhe, in die moralische Gemeinschaft
mit aufgenommen (Altner 1978; Taylor 1983). Prominenter Vordenker der Biozentrik ist
Albert Schweitzer, der eine Ehrfurcht vor allem Leben forderte (Schweitzer 1974).
Die Ansätze einer holistischen Umweltethik (vom Griechischen „ holos “: ganz) neh-
men schließlich den umfassendsten Standpunkt ein: Nicht nur alles (individuelle) Leben-
dige, sondern auch biologische Arten, Ökosysteme, Landschaften und die Biosphäre als
Ganzes liegen im Bereich direkter menschlicher Verantwortung. Alles existiert auch um
seiner selbst willen und ist damit zumindest potentiell ein moralisches Objekt (Meyer-
Abich 1984; Gorke 1999). Die dualistische Gegenüberstellung von Mensch und Natur wird
vom Holismus als ontologisch falsch zurückgewiesen, vielmehr muss sich der Mensch als
Teil eines größeren Ganzen verstehen.
Während die anthropozentrischen Ansätze weitgehend konsensfähig sind, jedoch als
Mitverursacher der ökologischen Krise kritisiert werden, sind die nicht-anthropozentri-
schen Positionen Orte heftiger philosophischer Auseinandersetzung: Es ist umstritten,
inwieweit Kriterien wie „Lebendigsein“ tatsächlich ausreichen, um moralische Berück-
sichtigung zu verlangen. Eine kritische Rückfrage lautet: Warum soll ich Lebendiges, das
nicht um sich weiß, das keinen Schmerz empfindet, das keine bewussten Interessen hat,
moralisch berücksichtigen? Des Weiteren widerspricht eine unterschiedslose Gleichheit
zwischen menschlichem und nichtmenschlichem Leben nicht nur der moralischen Intui-
tion, sie führt auch zu unlösbaren Problemen in der Praxis, wenn es gilt, zwischen mensch-
lichen Interessen und Bedürfnissen der Umwelt abzuwägen. In der Regel wird bei der-
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