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Ähnlich wie das Autonomieprinzip fordert das Menschenwürdeprinzip Respekt vor der
Autonomie und - was darin enthalten ist - ein Verbot der vollständigen Instrumentalisie-
rung. Der Mensch darf nicht vollständig als Mittel, als Zweck für etwas anderes eingesetzt
werden, denn dann würde er als Selbstwert geleugnet werden. Kant hat dies in einer ande-
ren Version des kategorischen Imperativ ausgedrückt: „Handle so, daß du die Menschheit
sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als (Selbst)
Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ (Kant 1984, S. 79).
Anders als das Autonomieprinzip fordert das Menschenwürdeprinzip aber nicht nur
den Respekt vor der Autonomie, sondern auch - zumindest gemäß einer starken, aber
nicht unumstrittenen Interpretationslinie - den unbedingten Schutz des (per se wertvol-
len) menschlichen Lebens. Das Menschenwürdeprinzip würde von daher zwei Prinzipien
umfassen: das Autonomieprinzip und das Lebensschutzprinzip. Diese doppelte Besetzung
des Menschenwürdeprinzips führt dann zu Problemen, wenn es zu Konflikten zwischen
Autonomie und Lebensschutz kommt. Denn dann können sich - was in der Regel auch ge-
schieht - sowohl Befürworter als auch Gegner einer Praxis auf das Menschenwürdeprinzip
berufen, was erhebliche Verwirrung zur Folge hat. In ethischen Studien wird daher - wie
auch in der vorliegenden Studie - auf das Prinzip der Menschenwürde mit guten Gründen
verzichtet.
Nichtschadensprinzip Das Nichtschadensprinzip verbietet es, grundlos bzw. ungerecht-
fertigt Schaden zu verursachen.
Wohltätigkeitsprinzip Das Wohltätigkeitsprinzip ist nicht im gleichen Ausmaß ver-
pflichtend wie das Nichtschadensprinzip. Es fordert, in Abstufungen, folgendes:
• Schadenzuvermeiden,
• SchadenoderBöseszubeheben,
• Nutzenhervorzubringenbzw.dasGutezufördern.
Was genau das Wohltätigkeitsprinzip fordert, hängt stark vom Kontext ab. Für einen Arzt
etwa ist es verpflichtend, Schaden zu beheben und einen Nutzen hervorzubringen. Für
Eltern ist es verpflichtend, sich für das Wohl ihrer Kinder einzusetzen.
Das Nichtschadensprinzip und das Wohltätigkeitsprinzip werden oft zum Prinzip des
Wohlergehens zusammengefasst. Dies ist gerechtfertigt durch den Umstand, dass beide
Prinzipien konsequentialistisch sind, d.  h. auf den Nutzen bzw. den zu vermeidenden
Schaden abzielen. Das vorliegende Buch wird diesem Vorgehen in seinem ethischen Dis-
kussionsmodell folgen (vgl. Kap. 3.2).
Gerechtigkeit Von den vier Prinzipien ist Gerechtigkeit dasjenige, das mitunter am
schwierigsten zu (er)klären ist. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass es ver-
schiedene Formen der Gerechtigkeit gibt, die in unterschiedlichen Kontexten gelten
und kaum auf einen Nenner gebracht werden können. Am ehesten kann als Kern aller
Gerechtigkeitstypen die formale, d. h. inhaltsleere und daher relativ kraftlose Definition
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