Environmental Engineering Reference
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niken und Erschließung (z. B. Ölsande, Schiefergas, Tiefseevorkommen) hohe Risiken und
Schäden für Umwelt und Klima bergen (Deutsches Biomasseforschungszentrum 2012;
Biogasrat 2012).
Mit der Einführung des Biomasseanbaus zu Energiezwecken hierzulande traten aber
noch weitere Argumente auf, die in den meist aus agrarwissenschaftlicher Sicht geführten
Debatten kaum Erwähnung finden: Der Biomasseanbau sei untypisch für die heimische
Landwirtschaft, er führe zum Verlust der traditionell gewachsenen Werte und Aufgaben
der Bauern und zu einer „Verschandelung“ der - auch touristisch so wichtigen - Kultur-
landschaft. Diese Debatte wurde weiter emotionalisiert, als Landwirte aufgrund hoher
Öl- und niedriger Getreidepreise Weizen und Gerste zur thermischen Verwertung nutzen
wollten. Unter dem Schlagwort „Weizen verheizen“ wurde in der Folge kontrovers über
eine etwaige Verschwendung von Nahrungsmitteln und den Symbolgehalt bestimmter
Kulturpflanzen diskutiert.
Das Resultat dieser hier nur kurz skizzierten Diskussion ist eine unübersichtliche Ge-
mengelage, in der sich Argumente und Aspekte unterschiedlichster Art überlagern und die
gerade im öffentlichen Diskurs zu einem guten Teil von Halbwissen, Voreingenommen-
heit, Emotionalität und gegenseitigem Misstrauen geprägt ist. Die Debatte zeichnet sich
vor allem durch folgende Charakteristika aus:
1. Die Diskussion ist - vor allem für den „Bürger von der Straße“ - vollkommen unüber-
sichtlich. Werte und Sachfragen überschneiden sich auf diffuse Weise, technische, öko-
nomische, ökologische, ethische und kulturelle Facetten greifen ineinander.
2. Die Diskussion ist stark moralisch geprägt, d. h. es geht nicht zuletzt um die Frage, ob
Energie aus Biomasse „moralisch gut“ ist oder nicht.
3. Die Diskussion ist stark von Intuitionen und Emotionen geleitet. Die Traditionen und
die Kultur, in der die Teilnehmer der Debatte verwurzelt sind, spielen dabei eine zent-
rale Rolle.
Breite gesellschaftliche Diskussionen wie jene über Energie aus Biomasse sind ein Zei-
chen einer lebendigen, funktionierenden Demokratie. Erstarren sie jedoch in einem un-
versöhnlichen Gegenüber der Fronten, kann dies zu einer Blockade der gesellschaftlichen
Entwicklung führen.
Betroffener der konkreten Situation ist einerseits der Landwirt als derjenige, der - so-
fern er Biomasse für energetische Zwecke produziert - in den Fokus der Kritik gerät und
zum Adressaten des gesellschaftlichen Unmutes wird. Er ist von dieser Situation in der
Regel in mehrfacher Hinsicht überfordert: Zum einen mit der Diskussion, für die er zwar
das nötige Expertenwissen in den landwirtschaftlichen Fragen, nicht jedoch über die ethi-
schen Aspekte und für den Umgang mit Konflikten mitbringt. Zum anderen mit den ho-
hen gesellschaftlichen Erwartungen, die an ihn gestellt werden (und deren Berechtigung
noch zu prüfen ist).
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