Environmental Engineering Reference
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benötige Ackerflächen und stünde somit in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelpro-
duktion. Des Weiteren sei die wachsende Produktion von Bioenergie Mitverursacher für
die (besonders die Armen treffenden) steigenden Lebensmittelpreise. Auch wurde die po-
sitive Energie- und CO 2 -Effizienz der Bioenergietechnologien in Zweifel gezogen. Zudem
verändere sie, so die weitere Kritik, auf unerwünschte Weise die Landwirtschaft, da sie zu
Monokulturen sowie dem Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen führe.
Die Debatte zwischen Befürwortern und Kritikern entbrannte nicht zuletzt durch die
2012 erschienene Stellungnahme „Bioenergy - Chances and Limits“ der Nationalen Aka-
demie der Wissenschaften Leopoldina aufs Neue (eine ergänzte Version er-schien 2013).
Die Leopoldina kam in ihrem Papier zu dem Schluss, dass Bioenergie als nachhaltige
Energiequelle weder gegenwärtig noch zukünftig einen quantitativ bedeutsamen Beitrag
zur anvisierten „Energiewende“ in Deutschland leisten könne. Kritikpunkte waren nicht
zuletzt die unterstellten höheren Treibhausgasemissionen von Bioenergie im Vergleich
mit anderen erneuerbaren Energieressourcen sowie die vermeintliche Flächenkonkurrenz
zur Nahrungsmittelproduktion (vgl. Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
2013).
Mit der Leopoldina-Studie ging die Debatte in die nächste Runde: In Tageszeitungen
waren Artikel mit Überschriften wie z.  B. „Forscher erteilen Bioenergie klare Absage“
(„Spiegel Online“) oder „Stoppt den Bio-Wahnsinn“ („Die Zeit“) zu finden, die über-
wiegend die Aussagen der Studie zusammenfassten, ohne diese kritisch zu hinterfragen
(Kirchner 2012).
Eine Kritik an der Leopoldina-Studie ließ jedoch nicht lange auf sich warten: Hat die
Studie die Vorteile von Bioenergie adäquat beschrieben? Biokraftstoffe bieten beispielswei-
se im Verkehrsbereich derzeit die einzige einsetzbare Alternative zu fossilen Treibstoffen,
da bei 4.600 elektrisch betriebenen von insgesamt rund 51 Mio. Fahrzeugen in Deutsch-
land Solar- und Windenergie keine Rolle spielen (Verband der deutschen Biokraftstoff-
industrie 2012). Auch die Koppelprodukte der Biokraftstoffproduktion, die als heimische
eiweißhaltige Futtermittel die Sojaimporte, zum Beispiel aus Südamerika, verringern und
den Druck auf die Landnutzungsänderung dort abmildern können (Technologie- und
Förderzentrum 2012), aber in den vergleichenden Treibhausgasbilanzen (Europäische
Union 2009) nur nach dem Heizwert bewertet werden (Deutscher Bauernverband 2012),
wurden in der Studie nicht diskutiert. Diese Argumente scheinen bei der Forderung nach
kombinierter Nahrungsmittel- und Energieproduktion außer Acht gelassen worden zu
sein, ebenso wie die Treibhausgasminderung, die bei Biokraftstoffen schon heute nach-
weislich mindestens 35 % des europäischen Kraftstoffmix' betragen muss, bis 2018 sogar
60 % (Europäische Union 2009). Darüber hinaus wurden Biogas und Biomethan als multi-
funktionale Energieformen mit nahezu geschlossenem Nährstoffkreislauf im Biomasse-
anbau und sehr geringem Einfluss auf Preisentwicklungen nur unzureichend bzw. zu un-
differenziert betrachtet (Biogasrat 2012). Sollte die Bioenergienutzung entsprechend den
Forderungen der Leopoldina-Studie drastisch zurückgefahren werden, muss zumindest
mittelfristig verstärkt auf fossile Energieträger zurückgegriffen werden, deren Fördertech-
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