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Istanbul war ein Märhen. So hat Mario Levi sein Buh genannt. Betonung auf »war«.
Es erzählt von einer Zeit, da »sowieso niemand wusste und keiner sagen konnte,
welhes die eigentlihe Sprahe der Stadt war«. Von einer Welt, die mit jedem Tag
mehr verloren ging. Oder verloren geht. Man darf ruhig im Präsens sprehen, vorüber
ist noh nihts an diesem Ort. Auh und gerade niht das Gestrige. Es klingt nah, das
Märhen.
Der Shritsteller sagt, er sei ein trauriger Mann und er danke dem Leben für das
Glük, so traurig sein zu dürfen, denn könnte er sonst ein Shritsteller sein? Weil
Mario Levi andererseits aber gerne kihert und shwärmerish von diesem und von
jenem erzählt, möhte man shon wissen, was ihm inmiten all seiner Shwermut
diese Seufzer der guten Laune vershat, und da deutet er zum einen auf die sieben
Tintenfässlein, die fein aufgereiht auf seinem Shreibtish darauf warten, dass er
ihnen mit seinem Füller Marke Pelikan zu Leibe rükt, dann beshreibt er bis ins De-
tail die Zubereitung der Lauh- Köte , einer jüdishen Spezialität aus Hakleish und
Lauh, für die der gekohte Lauh mit Kümmel gewürzt und ausgewrungen wird, bis
er ganz troken ist, und shließlih beugt er sih vor zum Fenster und deutet hinaus
auf den gleißenden Bosporus. »Sehen Sie nur«, sagt er.
Istanbul ist eine Stadt der Lüken, hat einer mal gesagt, eine Stadt des Ver-
shwundenen. Mario Levi ist ein Lükenfüller, im besten Sinne. In »Istanbul war ein
Märhen« webt der 1957 Geborene einen Teppih, der von einer Zeit erzählt, da man
Istanbul noh Konstantinopel nannte und der Stadteil Beyoğlu noh gut griehish
Pera hieß. Weil dort die Griehen lebten. Und die Armenier. Und die Juden. Als noh
Platz war für Völker, die sih selbst niht Türken nannten. Es ist noh niht lange her,
da kam nah einer Lesung in einem fremden Land ein türkishes Mädhen auf ihn zu,
bat ihn auf English um ein Autogramm, und als er sih als Istanbuler zu erkennen
gab, da rief sie ershroken aus: »Sie sind Türke? Das kann niht sein. Warum heißen
Sie Mario Levi? Das ist doh kein türkisher Name!«
Warum also heißt er so? Levi ist ein Sohn Jakobs im Alten Testament, der Vater
eines der jüdishen Stämme. Und Mario ist ein spanisher Vorname. Mario Levi heißt
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