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Katharsis«, glaubt Etyen Mahçupyan, Chefredakteur der Istanbuler armenishen
Wohenzeitung »Agos« und damit Nahfolger des von türkishen Nationalisten 2007
ermordeten Hrant Dink: »Die Leute fangen an, sih zu erinnern. Sie fangen an zu
reden.«
Und so wie für die Türkei dazu die Erinnerung an ihre Minderheiten gehört,
so gehört für die Istanbuler dazu die Besinnung aufs osmanishe Erbe. Dekadenz
und Niedergang - der Republik genügten bis vor Kurzem die beiden Begrife für
das Osmanishe Reih, das sie beerbt hate. Zwei simple Shlagworte für mehr als
sehshundert Jahre, für siebenunddreißig Herrsher, die aus einem Bund zentralasi-
atisher Reiterstämme ein Reih ershufen, das ins Konzert der europäishen Mähte
aufgenommen wurde, ein Reih, das sih von Bagdad bis Belgrad erstrekte und das
die Europäer lange Zeit niht nur in Shreken, sondern auh in Bewunderung ver-
setzte.
Wenn das Erbe nun neu bewertet wird, so ist das niht bloß ein Gedenken an die
kriegerishen Momente wie beim alljährlihen Kostümspektakel mit dem die Türken
ihre Eroberung der Stadt im Mai 1453 feiern. Der 1912 geborene Kronprinz Osman
Ertuğrul musste sein Leben im New Yorker Exil verbringen, 1992 durte er erstmals
türkishen Boden betreten, und erst 2004 erhielt er einen türkishen Pass. Als er aber
im September 2009 starb, da durte er beigesetzt werden auf dem Friedhof seiner
Ahnen bei der Süleymaniye-Moshee, und füntausend Istanbuler erwiesen ihm die
letzte Ehre. Wie so ot bei der Neuentdekung einer verleumdeten Vergangenheit,
wird sie auh in der Türkei von manhen nun verklärt und in den Dienst ihres polit-
ishen Streits von heute gestellt. Dennoh: Die Rükbesinnung verrät wahsendes
Selbstvertrauen und ein Ablauen der Hysterie. Egal ob Künstler sih wieder mit
dem Suismus shmüken, die Neureihen sih mit kostbaren alten Kalligraien oder
der Bürgermeister sih mit der Tulpe. Sie ist nämlih wieder da, die Tulpe. Wo sie
herkommt und wo sie hingehört. Also nah Istanbul, niht nah Amsterdam. Es war-
en die Osmanen, die einst die Welt mit der Tulpe bekannt mahten. Und es sind die
Istanbuler von heute, die die Welt wieder daran erinnern wollen. Laleli , einer mein-
er liebsten Stadteilnamen in Istanbul, stammt ab vom Wort für Tulpe: Lale . Wenn
Sie vorhaben, nah Istanbul zu kommen, ist der April niht die shlehteste Zeit.
Dann können Sie die Stadt in einem Tulpenraush erleben. Seine Gegner sagen, der
Bürgermeister spinne und werfe das Geld zum Fenster hinaus: Jeden Herbst lässt er
Abermillionen von Tulpenzwiebeln in die Erde der Stadt setzen, die dann im Früh-
jahr erblühen, praktish für jeden Istanbuler eine. Den Tulpensultan Ahmet III . (er
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