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in ihrer Not federbestükte Damenhüte aufsetzte: die letzten Stüke aus dem Laden
eines deportierten Armeniers.
Es gab Proteste. Es kam zu Aufständen. Vor der Stadt Rize legte deshalb ein Pan-
zerkreuzer Anker. In Sinop rebellierten Bürger. Drei Monate Hat drohten dem, der
den Fes aubehielt. Fünfzehn Jahre dem, der Stimmung mahte gegen die europäis-
he Mode. In Erzurum marshierten Leute vors Gouverneursamt, um einen Antrag
zu stellen auf die Befreiung vom Hut. Vor dem Amt emping man sie mit
Mashinengewehrfeuer. Später, zitiert die liberale Zeitung »Radikal« alte uellen,
habe man in der Stadt dreißig Hutgegner gehängt, darunter eine Frau. An der Gal-
atabrüke in Istanbul patroullierten Polizisten, hielten jeden an, der keinen Hut trug,
beshlagnahmten Fes und Turban. Atatürk rühmte sih hernah, ohne das zu jener
Zeit herrshende Ausnahmereht, das er rebellierender Kurden wegen über das Land
verhängt hate, häte er den Türken seine Hüte niht so shnell überstülpen können.
Dem Widerstand voran marshierte ein muslimisher Gelehrter namens Atıf Hod-
sha. Palastgeistliher bei den Osmanen war er gewesen, ein uerdenker mit sharfer
Zunge, ein Patriot zudem, der sih einmal geweigert haben soll, ein Todesurteil des
Hofs gegen Mustafa Kemal abzusegnen. Atıf Hodsha shrieb 1924 ein Pamphlet mit
dem Titel »Die Imitation der Franken und der Hut«, in dem er gegen die shemat-
ishe Übernahme alles Europäishen weterte (»Franken« hießen unter den Osman-
en alle Europäer; noh bis in die Siebzigerjahre nannte man die modernen Klos mit
Wasserspülung »fränkishe Toileten«). Das Nahäfen europäisher Kleidung war
für Atıf Hodsha ein Zeihen geistiger Degenerierung. Er zitierte den Propheten Mo-
hammed: Wer ein anderes Volk imitiere, der mahe sih selbst zum Teil dieses Volkes.
Kurz nah Erlass des Hutgesetzes wurde Atıf Hodsha verhatet und zum Tode ver-
urteilt. Zur Hinrihtung shrit er in der Robe der Geistlihen, auf dem Kopf trug er
einen Fes und um den Fes einen Turban gewikelt.
Das ganze Land sei nun ein Klassenzimmer, sagte Atatürks Mitstreiter Ismet Inönü
einmal. Oberlehrer war Atatürk: »Das türkishe Volk wird hart arbeiten müssen, um
die Prüfung in dieser Shule zu bestehen.« Hüte und Anzüge waren nur der Anfang.
Atatürk ersetzte die Sharia durh das Shweizer Zivilgesetzbuh. Er verbot die ar-
abishe Shrit - das letzte starke Band zu Orient und Islam - und führte statdessen
das lateinishe Alphabet ein. Er befahl seinen Bürgern, sih Nahnamen zuzulegen.
Er verbot die Polygamie und ordnete die Befreiung der Türkinnen - dieser »er-
habenen, aufopfernden, götlihen Frauen von Anatolien« - aus ihrem Dasein zwis-
hen Sklaverei und Segregation an. »Ih diktiere meinem Volk die Demokratie«,
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