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Journalist«, hieß es am nähsten Tag in seiner Kolumne, »muss man manhmal ein-
fah Risiken eingehen.« Also entshied sih Çandar shweren Herzens, dass er an-
ders als die halbe Nation niht ingernagelkauend vor dem Fernsehshirm auf die
Urteilsverkündung aus Ankara warten würde, von der das Shiksal des Landes ab-
hing. Denn: »Ih durte einfah niht das Fenerbahçe-Math verpassen.« War näm-
lih Champions League, Vorrunde. Çandar erzählt, wie er auf dem Weg zum Stadion
noh bei seinem alten Freund Can Paker vorbeishaute, dem Vorsitzenden von Tesev,
des bekanntesten politishen hinktanks des Landes. Paker lag krank im Bet, und
als er Çandar sah, platzte es aus ihm heraus: »Und? Wie sieht's aus?« Çandar traute
sih niht zu sagen, dass er noh keine Ahnung hate vom Gerihtsurteil aus Ankara,
und fragte ausweihend zurük: »Wie sieht was aus?« Darauf Paker: »Na, Alonsos
Transfer zu Fenerbahçe natürlih!«
Wie gesagt, Fenerbahçe gewann an jenem Abend. Und die Regierung wurde auh
niht verboten.
»Wenn Sie in einem so krisenverliebten Land leben wie der Türkei«, shrieb die Zei-
tung »Milliyet«, »dann können Sie sih unmöglih der Magie des Fußballs entziehen.
Es ist Medizin für uns politish Deprimierte.« Das fand auh meine Türkishlehr-
erin Buket Çevik: »Die Leute sind frustriert zu Hause, sie sind frustriert im Büro,
im ganzen Land nihts als Probleme - also stürzen sie sih in den Fußball.« Die
Türken verstekten ihre Minderwertigkeitskomplexe unter einem übertriebenen Na-
tionalstolz, hat die Journalistin Suna Erdem beobahtet, das mahe die Stadien zu
Hexenkesseln. Tatsählih lautete noh bis vor Kurzem einer der populärsten Sh-
lahtgesänge: Europa, Europa, höre unsere Stimme/höre den Klang der anmarshi-
erenden türkishen Shrite. Die Parole ist mitlerweile aus der Mode gekommen,
das mag man als ein Indiz dafür sehen, dass die ewig geshundenen Türken mit
den zunehmenden internationalen Erfolgen ihrer Fußballer allmählih an Selbstver-
trauen gewinnen: »Die Türken kämpfen shon so lange für ihre Aufnahme in die
EU - der Fußball ist eine der wenigen Bereihe, wo sie sih von den Europäern mit-
tlerweile als ebenbürtig anerkannt fühlen«, sagt Emre Temiz, ein Istanbuler Invest-
mentbanker. Sein Herz shlägt für den Istanbuler Verein Galatasaray, der im Früh-
jahr 2000 als erster und bislang einziger türkisher Club den UEFA -Cup gewann.
Groß ist das Sehnen nah Anerkennung. Türkishe Zeitungen bejubeln nah Siegen
ihrer Vereine gerne »das Tor, von dem ganz Europa spriht«. Oder sie titeln: »Fen-
erbahçe hat Europa ershütert«. Und nur für den Fall, dass Europa selbst das noh
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