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Heimat, unser Zeihen: Ehre« sogleih das unzertrennlihe Gespann Raki und Laizis-
mus zur bedrohten Spezies.
Feldzüge gegen den Alkohol sind so alt wie das Osmanishe Reih. Sultan Süleyman
ließ 1560 mit Wein beladene Shife im Goldenen Horn anzünden; Sultan Murat
II . shikte die griehishen Kneipenwirte an den Galgen, die sih heimlih seinem
Alkoholverbot widersetzten, und Sultan Selim II . soll in Verkleidung die Tavernen
Peras inspiziert haben, um die Einhaltung seines Verbotes zu kontrollieren. Es half
den Sitenwähtern niht, dass einige von ihnen selbst die shlimmsten Sünder war-
en. Selim II . etwa hate beim Volk den Beinamen »Selim der Betrunkene« weg; er
starb, als er im Suf auf dem nassen Boden eines Hamam ausrutshte.
Einmal, im Ramadan, werde ih Zeuge eines denkwürdigen Protestes. Hundert
Demonstranten auf dem Pier des shiken Vororts Moda auf der asiatishen Seite
Istanbuls. Trefen sih hier jeden Freitagabend, über Wohen hinweg. Entzünden
Kerzen, singen Lieder. Viele junge Leute, Linke, Langhaarige, Kunststudenten, die
ein Unbehagen an den Regierenden plagt, denen sie Neoliberalismus und Bigoterie
vorwerfen. »Die alkoholishe Bewegung hält keiner auf!«, rut einer. Das ist Şafak
Tanrıverdi. Er hält eine Dose Efes in der Hand, das Nationalbier der Türkei. Ein
Akt der Poesie und der Rebellion, wenn wir ihn rihtig verstehen. Denn dazu haben
sie sih hier versammelt, auf der Uferstraße von Moda: Sie trinken für die Freiheit.
Für die Demokratie. »Unser Vaterland blutet«, sagt ein Redner, eigentlih meint er:
»durstet«. Er ballt die Faust: »Möge das Liht zurükkehren.«
Passiert war nämlih Folgendes: Auf dem Pier von Moda steht seit mehr als neun-
zig Jahren ein kleines Lokal, auf einem malerishen Steg ins Marmarameer hineinge-
baut. Vor Kurzem übernahm die städtishe Gesellshat Beltur das Lokal. Warum das
ein Problem ist? In Beltur-Restaurants wird kein Alkohol ausgeshenkt. So will es
die Stadt Istanbul, die seit bald zwei Jahrzehnten von den konservativen Gefolgsleu-
ten des frommen Premiers regiert wird. Der Bürgermeister beteuert, seine Gemeinde
wolle nihts anderes, als preiswerte Lokale zu shafen, die auh ärmere und re-
ligiösere Familien besuhen könnten: Manhe dieser Familie seien früher nie aus-
gegangen, weil sie grundsätzlih Orte meiden, an denen Alkohol ausgeshenkt wird.
Davon abgesehen gebe es in Istanbul noh Tausende von Kneipen, in denen Bier und
Raki strömten, es sei also maßlos übertrieben, von einer islamish motivierten Kam-
pagne gegen Alkohol zu sprehen. Die Gegner trauen der Partei des Bürgermeisters -
es ist auh die des Premierministers - dennoh niht über den Weg: Shon wieder ein
alkoholfreies Restaurant mehr, für sie ist das ein Menetekel.
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