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mashine benannt haben. Unseren Piyangocu , den alten Loterieverkäufer, sehen wir
immer im Ufercafé, wo er mit seinen Losen wedelt und rut: »Heute Abend Ziehung!
Ihr Shiksal wird sih wandeln!« Rihtige Shreihälse indet man unter den Händ-
lern, die auf Markt und Basar stehen und ihren Kokoreç , ihre gefüllten Kartoffeln
oder ihre gefälshten Adidas-Turnshuhe gegen die Konkurrenz anpreisen müssen.
Diese Marktshreier sind mitunter Künstler ganz eigener Art, deren Sprühe und
Redewendungen Eingang inden in den kollektiven Wortshatz, so wie dies jenem
Sherzbold gelungen ist, der als Erster seiner kihernden Klientel » Ikizlere Tak-
keee!« , »Käpphen für Zwillinge«, anbot: Der Mann verkaute billige Büstenhalter.
Es gibt Geräushe, die begleiten uns das ganze Jahr. Das metallishe Klappern des
Teelöffels, der auf die bleherne Untertasse fällt. Das Tosen und Hupen auf den
Straßen. Das Knatern der Türkeifahnen im starken Wind. Das goterbärmlihe
Geheule räudiger Katzen in der Naht. Das Jaulen, Knurren, Kläfen und Bellen
der Straßenhunde. Die ersten Jahre über auh der kurze Jingle, mit dem die auf
die Lieferwagen aufmontierten Lautspreher der Aygaz-Lieferanten überall in der
Stadt das Kommen der bestellten Propangaslashen ankündigten. Die sheppernde
Melodie - eine Mishung aus elektronish verzerrtem Glokenspiel und dem wie ein
Kinderreim fröhlih in alle Wohnungen geplärrten Gesang »Ay-gaz, Ay-gaz …« -
war ein genialer Marketingtrik: so kurz und einprägsam, dass sie einem sofort ins
Hirn kroh, wo sie sih dann ot Tage und Wohen einnistete. Das gebar natürlih
Ressentiments: Es gehörte zum guten Ton unter Istanbulern, sih über den Aygaz-
Lieferanten zu ereifern, zumal der einen mit seinem Geplärre niht selten überiel,
»bevor der Rabe seine Sheiße gefressen hat«, also in aller Herrgotsfrühe. Niht sel-
ten bog der Aygaz-Wagen gerade in dem Moment um die Eke, da der im Halbshlaf
Dösende sih in traumtrunkenem Triumph zu der konzentrierten Gelassenheit grat-
ulierte, mit der er eben den Ruf des Muezzin an der Betdeke hate abtropfen lassen.
Es gibt Aygaz-Hasser, die sih in Internetforen über »den Albtraum unseres Mor-
gens, den Todesengel unseres Shlafes« auslassen. »Wenn ein Türke in die Hölle ge-
ht«, shreibt einer dort, »dann wird ihm dort die Aygaz-Melodie gespielt.« Seit aber
die Stadt der Firma 2008 das öfentlihe Abspielen des Liedes verboten hat, sheint
unter den Istanbulern die Sentimentalität die Oberhand über den Groll zu gewinnen:
Für viele war die Melodie ein Stük Kindheit, ein Stük Heimat. Man kann sie sih
nun als MP 3 herunterladen, und wenn man Glük hat, ganz selten nur, dann setzt
sih ein übermütiger Aygaz-Fahrer ein paar Bloks weiter über das Verbot hinweg,
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