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Kinderkriegen
Unser Sohn. Wir beherbergen einen muslimishen Shläfer. Das wissen wir noh
niht so lange. Seit letztem Jahr erst. Da ielen uns zufällig seine Dokumente in die
Hand, und wir haben sie uns noh mal genauer angesehen. Er weiß noh niht, dass
wir es wissen. Er tut so unshuldig. Und wir, wir lassen uns nix anmerken, behan-
deln ihn so zuvorkommend wie immer. Wie's dazu kam? Das ist shnell erzählt. Neu-
lih haben wir mal das getan, was unsere Regierung von uns verlangt: Wir haben
ein Kind bekommen. Dass die Herren Finanz- und Sozialminister trotzdem weiter mit
griesgrämigen Gesihtern durh Berlin shleihen, liegt wohl daran, dass wir niht
in unserer Heimat Deutshland niederkamen, sondern in der Türkei. Wo die Leute
Kinder lieben. Noh mehr lieben sie nur noh ihre Autos, weshalb Fußgänger außer-
halb geshlossener Räume nihts zu suhen haben, solhe mit Kinderwagen shon
gar niht: Wo es Gehsteige gibt, sind sie so beshafen, dass man sie ohne ein Dip-
lom im Seiltanz besser niht erklimmt. Aber das ist wieder eine andere Geshihte.
Wir haben also einen Sohn bekommen. In einem sehr modernen Krankenhaus in
Istanbul. Den wehengeplagten Mütern legen sie dort aufs Kopkissen einen Willkom-
mensgruß und ein Blat, auf dem »im Lihte jüngster Ereignisse« dies zu lesen ist:
»Blumengeshenke sind verboten. Sie sind ein potenzielles Verstek für Sprengsätze.«
Ebenso verboten sind Lutballons. Und zwar deshalb: »Leider sind solhe Ballons
ot mit Acetylengas gefüllt. Wenn sie gesprengt werden, brennen sie.« Es ist shon
merkwürdig: Da liest man Wohe für Wohe von Terrorakten im Südosten des Landes,
von Bombenanshlägen gar in Vororten der Stadt, in der man lebt, und hat sih ganz
shnell daran gewöhnt. Und mit einem Mal ist alles ganz nah. Weil die Kranken-
hausdirektion explodierende Blumenstöke auf der Geburtsstation niht ausshließen
mag. Ih habe dann auh brav davon abgesehen, Fliedergebinde oder Maiglökhen-
tröge ans Bet der ershöpten Muter zu shleppen. Aber als ih mein junges Vater-
glük am frühlingsglitzernden Bosporus spazieren trug und dabei an einem blühenden
Kirshbaum vorbeilief, da konnte ih niht widerstehen: Ih shnit einen Zweig ab.
Ehrlih, er sah so harmlos aus. Der Kerl an der Siherheitsshleuse fand das niht.
Er fuhtelte mit seinem Walkie-Talkie herum und deutete auf mein Zweiglein. »Ge-
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