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der Armenviertel durh und nimmt den Kampf auf gegen die sih sträubende Stadt
und den Unstern der Liebe. Die ualität der Filme wurde am Tränenausstoß im Kino
gemessen. Einige Szenen wiederholten sih in jedem Werk. Die kurzen Sekunden
des Glüks, bei denen die beiden Verliebten im Wald Hashen spielen und einander
immer wieder hinter den nähsten Baumstamm enteilen. Die Ohrfeigenszene: Held
ohrfeigt Geliebte, weil ihm - natürlih eine gemeine Lüge - hintertragen wurde, sie
sei zur Hure geworden. Oder die Wiedersehensszene nah langer Trennung durh
böse Drite: Rufender Mann läut von links, Frau mit ausgebreiteten Armen von
rehts ins Bild, dann setzt die Zeitlupe ein, und sie springen, von herzerweihen-
dem Tremolo unterlegt, aufeinander zu. Das kann, unterbrohen von Rükblenden,
Minuten über Minuten dauern, umarmen dürfen sih die beiden jedoh erst, wenn
der Zushauer sih satgeweint hat.
Arabesk hat seine besten Jahre nun hinter sih. Ibrahim Tatlıses geht auh shon
auf die sehzig zu. Er hat all die Jahre überlebt, die meisten davon prähtig, aber auh
wenn Augenbrauen und Shnauzer so stramm sitzen wie eh und je, so ist doh niht
zu übersehen, dass die Zeit ihren Tribut gefordert hat. Niht geändert hat sih dies:
Noh immer ist die Stadt gespalten, in Alteingesessene und Neuankömmlinge, in
Reih und Arm, und noh immer werden die Armen - obwohl längst die Mehrheit -
behandelt wie eine vernahlässigbare Minderheit.
Die Klut zwishen Reih und Arm ist obszön. Die vermögendsten zehn Prozent
der Türkei sind siebzehnmal so reih wie die ärmsten zehn Prozent. Das hat die
OECD in einem Beriht von 2008 festgestellt. Der Beriht fand nur ein Land welt-
weit, in dem die Ungleihheit shlimmer war, nämlih Mexiko. Und nirgendwo in
der Türkei prallen die Gegensätze so aufeinander wie in Istanbul. Der satesten Stadt.
Der hungrigsten Stadt. Nirgendwo stellen sih so viele Familien in Suppenkühen
an, nirgendwo gibt es so viele Kinder (Mädhen meist), die nie in der Shule er-
sheinen - was sonst nur in den rükständigsten und ärmsten Regionen des Landes
geshieht. An den Hängen zum Bosporus und unten am Ufer stehen einige der shön-
sten und teuersten Häuser Europas, oben, hinterm Hügelkamm, auf der dem Wass-
er abgewandten Seite, beginnen vielerorts die Gecekondu -Siedlungen. Es gibt die
Leute, die im »Reina« die dreihundert Euro für die Flashe Wodka bezahlen. Es
gibt aber noh mehr Familien, wie jene im Viertel Fikirtepe, die sih in ihrem kah-
len Wohnraum zum Festessen im Ramadan auf dem Teppih niederlassen und Kar-
toffelsuppe und Nudeln mit Tomatensoße verzehren. Niht einmal für Oliven und
Shafskäse reiht das Geld, das der Vater und der ältere Sohn mit nah Hause brin-
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