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empfunden hate, man lasse sih da niht täushen von den dunkel verwiterten Fas-
saden, die einem heute begegnen.
Shon im neunzehnten Jahrhundert gab es Holzhäuser, die sih vershämt das
Aussehen steinerner Bauten gaben; vielleiht ein erstes Anzeihen dafür, dass ihnen
niht mehr viel Zeit beshieden sein sollte. Der Untergang kam shnell. 1923 wurde
die Republik gegründet. Istanbul verlor seinen Status als Hauptstadt, der gesamte
Hofstaat seine Existenzgrundlage, und viele der prähtigen Stadthäuser und Ufervil-
len aus Holz verloren ihre Herren, die ihnen bis dahin alle drei bis vier Jahre einen
neuen Anstrih und die Reparatur ihrer Däher gesihert haten. Den einfahen
Holzhäusern in der Altstadt ging es niht besser. Ein großes Feuer vernihtete
1918 fast jedes Drite. Die neuen aber wurden mehr und mehr aus Stein errihtet.
Das war modern und feuersiher. Dazu kam die Umwälzung der Bevölkerung: Mit
den Griehen wurde eine ganze Volksgruppe in den nähsten Jahrzehnten in die
Fluht getrieben. Damit aber ging auh das Handwerk verloren - ein großer Teil
des Holzbaus wurde traditionell von griehishen und armenishen Handwerkern
geleistet. In den leer stehenden Häusern shließlih siedelten sih vor allem von den
Sehzigerjahren an arme Neuankömmlinge aus Anatolien an. Für sie waren diese
Häuser keine alten Mitglieder der Familie mehr, die man hegte und plegte. Dass
sih nun manherorts fünf Dutzend Leute in ein Haus pferhten, in dem ursprüng-
lih zwei Familien gelebt haten, mahte die Liebe niht größer. Die Häuser verielen.
»Es kam zu einem dramatishen Prozess des Vershwindens der Holzhäuser«, sagt
Martin Bahmann.
Bahmann hat im Autrag des DAI die Holzhäuser jahrelang studiert, er hat ihnen
eine Ausstellung und ein Buh (»Istanbuls Holzhäuser«) gewidmet. Man merkt ihm
an, dass sih unters akademishe Interesse auh Shmerz misht. Über die Pläne des
Bürgermeisters zum Beispiel, Teile der Altstadt abreißen und »im osmanishen Stil«
wieder aubauen zu lassen. Über das Gerüht, die neuen Pähter der Amcazade-
Villa - ein Bauunternehmen - häten genau das Gleihe vor: »Eine Horrorvorstel-
lung«, seufzt Bahmann. »Aber das Verständnis, was es bedeutet, ein Original zu
konservieren, ist hier noh niht so tief eingedrungen«, fügt er diplomatish hinzu.
»Istanbul durhlebt im Moment eine Zeit, vergleihbar mit unseren deutshen Fün-
fziger- und Sehzigerjahren: Da haben auh wir Deutshen mehr alte Bausubstanz
verloren als im Krieg.« In Istanbul stellen sih heute noh Stadteilbürgermeister zur
Wiederwahl mit Plakaten, auf denen eine einzige Zahl groß gedrukt ist: die Million-
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