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offenbar genügt. Die Armee zieht sich
nach einem „Rütlirapport“, an dem
der General zum Widerstand aufruft,
auf eine besser zu verteidigende Po-
sition in den Alpenfestungen zurück.
Ohne eine schlaue ( Karl Barth nannte
sie zu schlaue) Neutralitätspolitik, die
der Anpassung ans Reich zumindest
wirtschaftlich sehr nahe kommt, wäre
dieser Erfolg kaum möglich gewesen.
Die mutige Presse, welche von links
bis rechts immer wieder eine klare Po-
sition des Rechts und der Humanität
vertritt, hat es angesichts einer Politik,
die vor kleinlicher Zensur nicht zu-
rückschreckt, nicht einfach. Das Parla-
ment ist durch Sonderrecht einge-
schränkt. Obschon in der Bevölkerung
wenig Sympathien für die Achsen-
mächte zu finden sind, ist die Wirt-
schafts- und die Immigrations- und
Flüchtlingspolitik der Tradition des
Landes unwürdig.
Die Unfähigkeit, sich mit den Ereig-
nissen kritisch auseinander zu setzen,
führt am Ende des Jahrhunderts zum
Schock der Affäre um „das Juden-
gold“. Die über ein Jahr die Gazetten
und Fernsehkanäle beherrschende
Diskussion löst endlich eine Entschul-
digung des Bundespräsidenten und
den Beschluss der Räte aus, das trauri-
ge Geschichtskapitel aufzuarbeiten.
Die neutral und unabhängig arbeiten-
de „Kommission Bergier“ publiziert im
Jahr 2002 ihre Berichte zur Rolle der
Schweiz im Zweiten Weltkrieg und be-
schließt damit eine von schönfärberi-
scher Ideologie geprägte Epoche
durch eine kritischere Diskussion.
Zu ergänzen ist, dass Schweizer wie
der Polizeihauptmann Grüninger in St.
Gallen, die „Flüchlingsmutter“ Gertrud
Kurz oder der Diplomat Karl Lutz in
Budapest großartige Leistungen zur
Rettung bedrohter Juden und anderer
Bedrohter erbringen. Ob das von
Schweizern geführte Internationale
Komitee vom Roten Kreuz IKRK seiner
Rolle gerecht wird, ist umstritten.
Die befürchtete Nachkriegsrezes-
sion bleibt aus. Die Schweiz baut ihre
Position als Wirtschaftsgroßmacht
noch aus. Die Industriegesellschaft
wandelt sich zur Dienstleistungs- und
Freizeitgesellschaft.
Streng auf ihre „immerwährende
Neutralität“ fixiert, beschließt die
Schweiz, sich eher der EFTA anzu-
schließen als der EWG. Als Letztere,
die spätere EU, immer mehr zur ein-
zigen Variante wird, bleibt die Schweiz
draußen, gebremst durch die födera-
listische Referendumsdemokratie. Erst
in jüngster Zeit nähert man sich mit
„bilateralen Verträgen“ der EU an. Die
Schweiz wird mit der Ratifizierung die-
ser Verträge faktisch zu einem Mit-
glied der EU ohne Stimmrecht. Der
Währungsunion bleibt die Schweiz
vorläufig fern. im Jahr 2002 entschied
sich das Volk nach langem Zaudern,
als zweitletzter Staat als Vollmitglied
der UNO beizutreten - als erster Staat
der Welt, der dies per Volksabstim-
mung beschloss.
Die Schweiz im neuen Jahrtausend
Der Zusammenbruch des sozialis-
tischen Systems im Osten und die
Integration in Europa stellen die Fort-
setzung der 200 Jahre alten Neutra-
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