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beiter folgen, das Land steht still. Der
Bundesrat geht auf einige Forderun-
gen ein. Der Streik wird schon am 13.
und 14. November abgebrochen, die
Anführer kommen meist mit kleinen
Strafen davon. Die Botschaftsangehö-
rigen der neuen sowjetischen Regie-
rung müssen das Land verlassen, da
sie offenbar in Verbindung mit dem
Oltner Komitee stehen.
Die Sozialdemokraten sind dank des
Proporzwahlrechts ab 1920 im Natio-
nalrat wesentlich besser vertreten.
Dies führt zu ihrem Eintritt in die Re-
gierung und in der Mitte des Jahrhun-
derts zur Etablierung des „histori-
schen Kompromisses“ mit der „Zau-
berformel“ im Bundesrat, der Vertre-
tung von zwei FDP-Mitgliedern (Frei-
sinnig-Demokratische Partei), zwei
CVP-Mitgliedern (Christlich Demokra-
tische Volkspartei, die ehemaligen Ka-
tholisch-Konservativen des Sonder-
bunds), zwei SPS-Mitgliedern (Sozial-
demokraten) und einem SVP-Mitglied
(Schweizerische Volkspartei) im Bun-
desrat; eine Formel, die erst nach der
Jahrhundertwende durch die erstar-
kende Rechtspartei SVP geknackt
wird.
Seit dem Generalstreik ist die innen-
politische Lage in der Schweiz stabil.
Jedoch muss das Land nach dem
„schwarzen Freitag“ eine gravierende
Wirtschaftskrise bewältigen. Die
Flaute wird durch eine falsche Finanz-
politik noch verlängert. In den dreißi-
ger Jahren, als in den Nachbarländern
bereits neue politische Gewitterwol-
ken drohen, schließen Gewerkschaf-
ten und Arbeitgeberverbände ein his-
torisches „Friedensabkommen“ ab, in
welchem sie vereinbaren, zukünftig
beidseitig auf Kampfmaßnahmen (wie
Streik, Aussperrung) zu verzichten und
sich am Verhandlungstisch zu einigen.
Die Schweiz kennt seither kaum offen
ausbrechende Arbeitskonflikte mehr.
Dieses Friedensabkommen ist gegen
die Nazis gerichtet, die mit dem Argu-
ment werben, die Demokratie sei un-
fähig, soziale Fragen zu lösen.
Braune und schwarz-faschistisch ori-
entierte Organisationen versuchen
Einfluss zu gewinnen. Über Anfangser-
folge kommen sie nie hinaus. In der
Schweiz findet ein Zusammenrücken
statt, eine Besinnung auf „schweizeri-
sche“ Werte. So gesund und notwen-
dig dieser sogenannte Landigeist an-
gesichts der Bedrohung ist, so sehr
führt die auf eigene Werte zentrierte
Ideologie nach dem Zweiten Welt-
krieg dazu, dass die Schweiz sich geis-
tig einigelt, unkritisch gegenüber der
eigenen Vergangenheit wird und sich
auf eine Politik und Rolle in der Welt fi-
xiert, die vom Ausland zunehmend
nicht mehr akzeptiert wird. (Der Aus-
druck „Landigeist“ bezieht sich auf die
Landesausstellung 1939, „Landi“, bei
der die Ideologie des „schweizeri-
schen Wegs“ besonders stark zum
Ausdruck kam.)
Die Schweiz übersteht die Katas-
trophe des Zweiten Weltkriegs mate-
riell unbeschadet, aus Sicht der dama-
ligen Generation dank des Wider-
standswillens einer von einem starken,
charismatischen General (Henri Gui-
san) geführten Armee, die als Ab-
schreckung in ihrem „Alpenréduit“
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