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von 1890 führte Bern das Proporz-
wahlsystem ein, so wurden die aufrüh-
rerischen Tessiner gezwungen, ge-
meinsam zu regieren. Die Zusammen-
arbeit klappte, die Ära der Umstürze
und politischen Gewalt fand ein Ende.
Die Eröffnung des Gotthard-Bahn-
tunnels beendete die Isolation des
Tessins. Die Tessiner fanden in der
Deutschschweiz Arbeit, im Beklei-
dungsgewerbe, in Steinbrüchen oder
im Lebensmittel und Tabak verarbei-
tenden Gewerbe. Zeitgleich begann
der Tourismus. Der Fortschritt war be-
scheiden, noch immer war das Tessin
die Armenstube der Schweiz. Nach
dem Zweiten Weltkrieg erfuhr es je-
doch einen enormen wirtschaftlichen
Aufschwung. Die Emigration fand ein
Ende, der Kanton wurde Immigrations-
gebiet und bot Tausenden von Grenz-
gängern Arbeit.
Tessiner Häuser und ihre Baugeschichte
Das Baumaterial der Tessiner Häuser ist -
von Walsersiedlungen abgesehen - der
Stein. Im Sopraceneri waren die Häuser
traditionell mit Granitplatten bedeckt, im
Sottoceneri von Rundziegeln, den coppi.
Sie wurden dort hergestellt, wo der Boden
reich an lehmigen Ablagerungen war. In
der ersten Hälfte des 20. Jh. verdrängten
Ziegel die coppi.
In den engen Straßen der Städte schlen-
dert der Besucher in Laubengängen, die
Schutz vor der Sonne bieten. Etwas unter
dem Straßenniveau befindet sich der qua-
dratische Hof der Häuser, umgeben von
Loggien mit kraftvollen Säulen, oft mit ei-
nem Brunnen in der Mitte. Die Fenster öff-
nen sich zum Hof, die Fassaden an der
Straßenseite wirken meistens abweisend.
Auf steinernen, in den Loggien verborgenen
Treppen steigt der Hausbewohner in die
Obergeschosse. Ursprung dieses Haustyps
ist das Mendrisiotto. Hier umschließt das
Bauernhaus einen Innenhof mit Loggien.
In den abgelegenen Tälern des Sottoce-
neri, etwa im Malcantone, im Val Colla
oder Isone-Tal, sowie im Sopraceneri im
Maggia- und Verzasca-Tal wird die Archi-
tektur von einem einfachen Bauernhaus-
Typ mit oft nur einem Raum abgelöst: der
Wohnküche, Cà (für casa ) genannt. Den
Mittelpunkt bildet der Ofen, dessen Rauch
früher durch die Lücken des Steindachs
entwich. Erst später rückte er an die Wand
und erhielt einen Kamin. Der Wunsch nach
einem rauchfreien Raum ließ die Besitzer
oft die Mauern erhöhen und einen Kasta-
nienboden einziehen, so entstand ein zwei-
räumiges Haus, das oft noch zusätzlich ei-
nen Estrich erhielt. Die oberen Geschosse
waren nur über die Außentreppe erreich-
bar. Wegen Bodenmangels rückten die
Häuser eng aneinander, sodass sie heute
wie zusammenhängende Baukomplexe
wirken. Auf den Balkonen trocknet der
Bauer Mais, Holz und Heu.
Die für das Tessin so typischen Grotti
sind rustikale Lokale, die meistens an stil-
len, abgeschiedenen und schattigen Orten
liegen. Sie verfügen über eine eigenständi-
ge Küche und einen geräumigen Vorplatz
mit Tischen und Bänken aus Granit, wo der
Gast unter freiem Himmel geschützt von
Bäumen einheimische Gerichte genießen
kann: Wurstwaren aus eigener Produktion,
z.B. Salami und Mortadella, Minestrone, Ri-
sotto, marinierte Fische, vitello tonnato, kal-
te oder warme Braten mit Salat und Brat-
kartoffeln, Kaninchen, Pilze, verschiedene
Hart- und Weichkäse, zum Dessert Zabaio-
ne, Brotkuchen und Pfirsiche in Wein. Da-
zu trinkt der Tessiner Merlot, Nostrano
oder Barbera, oft gespritzt mit Gazzosa.
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