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eidgenössische Tagsatzung (oberstes
Organ der Eidgenossenschaft) befand
dieses Losverfahren als nicht akzepta-
bel und drohte, keine Glarner mehr als
Landvögte einzusetzen. Die Episode
zeigt, dass die Glarner schon immer
etwas für „Urdemokratie“ übrig hatten
- bis heute, wo Glarus einer der weni-
gen Kantone ist, die an der Landsge-
meinde festhalten.
Während der Reformation be-
stimmte in Glarus nicht die Obrigkeit,
sondern das Volk, welcher Glaube an-
zunehmen sei. Die Glarner ließen
auch „Hintersässen“ in Glaubensfra-
gen abstimmen. Die Katholischen wei-
gerten sich, an dieser Abstimmung
teilzunehmen - man war entschei-
dungsunfähig, es wurde weder Rat
noch Gericht gehalten. Zwinglis Nach-
folger, Valentin Tschudi, predigte in der
Kirche von Glarus sowohl für Katholi-
ken wie für Reformierte. 1623 kam es
zur Trennung: Es gab neben der ge-
meinsamen Landsgemeinde eine ka-
tholische in Netsthal und eine refor-
mierte in Schwanden, katholische
und reformierte Räte und Gerichte.
Bis 1798 galten nebeneinander der al-
te und neue Kalender. 1700 wurde das
Jahrhundert im Abstand von 11 Tagen
zweimal eingeläutet. In der Kirche von
Glarus wetteiferte eine katholische Or-
gel mit einer reformierten. Es gab eine
katholische und reformierte Post, ein
katholisches und reformiertes Militär-
wesen mit eigenen Zeughäusern, ka-
tholisches und reformiertes Schießpul-
ver, sogar katholisches und reformier-
tes Salz! Erst die Landesverfassung von
1836 bereitete dem ein Ende.
Da das karge Land nicht alle Bewoh-
ner ernährte, traten viele in französi-
sche oder holländische Dienste, ka-
tholische Glarner v.a. in neapolitani-
sche Dienste.
Näfels stellte besonders viele Offi-
ziere, Kaspar Gallati und Fridolin Hüssi
waren Kommandanten der Garde in
Frankreich und ihr Nachfolger, Karl
Bachmann, stand 1792 an der Spitze
der Schweizergarde beim Tuilerien-
sturm, er wurde guillotiniert. Die Fami-
lie Tschudi stellte in Neapel so viele
hochrangige Offiziere, dass die Ämter
erblich wurden. Aus Glarus stammen
auch Chronisten wie Fridolin Bäldi,
der um 1500 die Mailänderfeldzüge
der Eidgenossen dokumentierte, oder
Aegidius Tschudi, der die Schweizer-
chronik schrieb, aus der Friedrich Schil-
ler die Tell-Geschichte übernommen
haben soll.
Der Kanton liegt abseits großer
Durchgangsstraßen. Umso erstaunli-
cher ist, dass der Landstrich zu den
früh industrialisierten der Schweiz
gehörte. Motor war der Wasserreich-
tum. Am Anfang standen die Spin-
nereiindustrie und der Schieferabbau.
Der Baumwolldruck wurde 1740 ein-
geführt, 1865 zählte man 22 Betriebe
mit 6000 Arbeitern. Gedruckt wurde
von Hand mit Modeln. Als Farbstoffe
standen Krapp und Indigo zur Verfü-
gung. Einige Trocknungsgebäude und
Hängetürme sind noch heute zu fin-
den. Nach 1870 begann der Nieder-
gang, 2000 waren fast alle Betriebe
verschwunden. Der Schieferabbau
war bis ins 20. Jh. bedeutend. Man fer-
tigte Platten und Schiefertafeln. Die
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