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hingegen notierte man tausendachthundertfünfundzwanzig Deutsche und vier Tschechen, von
ihnen siebenundzwanzig Juden, alle anderen katholisch. Dann kamen 1938 die völkischen Nazis
und vertrieben Juden und Tschechen aus dem jetzt so genannten Sudetenland, zu dem Oberplan
ja gehörte; 1945/46 folgte die Vertreibung der Deutschen durch die Tschechen. Nur sehr wenige
Deutschedurftenbleiben,unddieFamiliedesBuchhändlersLöfler,derseinGeschäftamgroßen
Anger in Oberplan hatte, gehörte nicht dazu.
Noch nicht genug Geschichte: Wer ermessen will, was der damals fünfjährige, 2005 dann fün-
fundsechzigjährigeHorstD.LöflersowiederdreiundvierzigjährigeBürgermeisterJiříHůlkaund
seine neununddreißigjährige Ehefrau Lenka Hůlková, die Kustodin des Stifter-Hauses, in jenem
Stifter-Jahr 2005 an Staunenswertem auf die Beine stellten, muss geduldig ins Detail gehen. Und
immer wieder zurückblicken. Horní Planá also wurde nach 1945 mit Tschechen und Slowaken
neu besiedelt und erlebte 1948 die Machtübernahme der Kommunisten, die Region wurde Gren-
zsperrbezirk, und nicht mehr lange war das Moldauherz zu sehen.
Stifter hatte das »leuchtende Band der Moldau« noch so beschrieben: »Durch die duftblauen
Waldrücken noch glänzender, liegt es geklemmt in den Talwindungen, weithin sichtbar, erst ein
Lichtfaden,danneinlatterndBandundendlicheinbreiterSilbergürtel,umdieWölbungdunkler
Waldesbusen geschlungen - dann, bevor sie neuerdings schwarze Tannen- und Föhrenwurzeln
netzt,quilltsieaufAugenblickeineinlichtesTalhervor,daswieeinzärtlichAugeaufgeschlagen
ist in dem ringsum trauernden Waldesdunkel.« Nun aber wurde im Namen des sozialistischen
Fortschritts der Fluss aufgestaut, um Elektrizität zu erzeugen und den werktätigen Massen einen
See fürs Urlaubsvergnügen zu schaffen. In ihm verschwand 1958 jener hübsche Grund, wo die
Moldau laut Stifter »wie eine träge schillernde Schlange in den Wiesen« lag und mäandrierend
just bei Oberplan zwei Schleifen in der Form eines Herzens bildete. Das Moldauherz.
Es war besonders gut vom Gutwasserberg aus zu sehen, wo das alte Muttergottes-Kirchlein
steht,undwoandiesemlaunischenOktobermorgenderWindsoherzhaftinsvielfarbigüberson-
nteLaubderBäumegreift.DasRauschen,ja.ImTschechischenheißtes šuměni ,einWort,dasschu-
mieni auszusprechen ist - was lautmalerisch nicht minder zwingend klarstellt, warum der Böh-
merwaldhierŠumavaheißt:Schumava.Errauschthalt,undkeinerhat'sderWeltsoschöngesagt
wie Stifter. Auch der verweilt hier oben auf dem Gutwasserberg, seit neunundneunzig Jahren, in
Bronze.
VorseinemDenkmal,aufeinerSteinbank,sindzweiKaffeekannenundeinBrotzeitkorbabge-
setzt, Pullover liegen daneben, ein Bauplan ist darübergebreitet. Der junge Gartenbauarchitekt
hat ihn hier abgelegt, zusammen mit einigen Männern sowie der Zahnärztin von Horní Planá
undLenkaHůlková,derFraudesBürgermeisters,trägterjetztSetzlingeundjungeSträucherden
Hang hinauf. Der Verein zur Erneuerung und Entwicklung des Stifter-Parkes ist am Werk, räumt
Wege frei von Geschling und Gestein, das im vergangenen Halbjahrhundert das Terrain hat ver-
wildern lassen.
MankannindiesessamstäglicheBürger-EngagementgarnichtgenugsymbolischeBedeutung
hineinlegen, wiewohl auf der städtischen Website eine Umfrage unter tausenddreihundertvier-
undvierzig Personen bekannt gemacht wird, bei der achtunddreißig Prozent für und zweiun-
ddreißig Prozent gegen die Erneuerung des Parks plädierten, dreißig Prozent erklärten sich
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