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erische Landeskriminalamt ein Verfahren eingeleitet und es dann an die tschechischen Kollegen
abgegeben. In Saaz ermittelte der Kriminalkommissar Pavel Karas seit 2006 aufgrund der Aus-
sagen von siebenunddreißig Zeugen, unter ihnen etliche sudetendeutsche Überlebende, den
tschechoslowakischen Hauptmann Vojtech Černý und den Polizeibeamten Bohuslav Marek als
Täter.DiebeidenwarendemnachverantwortlichfürdieErschießungvonsiebenhundertdreiund-
sechzigDeutschenimJuni1945.DieOpferhattemanzusammenmitmehrerenTausendweiteren
Männern und Jungen zwischen dreizehn und fünfundsechzig Jahren in der Kaserne von Postel-
berg zusammengetrieben. Manche wurden einfach erschossen, andere zuvor gequält und gefol-
tert, indem man sie mit dem Kopf nach unten aufhängte und darunter Feuer anzündete. Außer
den siebenhundertdreiundsechzig, deren Leichen schon 1947 exhumiert wurden, sind in Postel-
berg wohl weitere Hunderte von Deutschen damals ums Leben gekommen, rund zweitausendz-
weihundert im Ganzen.
Für Experten war es keine Neuigkeit. Der tschechische Historiker Tomáš Staněk hatte schon
1996 geschrieben: »Was sich hier abspielte, gehörte offenkundig zum Allerschlimmsten aus einer
ganzenReihevonTragödiendesZeitabschnittsimMaiundJuni1945inBöhmen.«Unddersude-
tendeutscheHeimatkreisSaaz,dessenAngehörigegroßteilsbeiNürnbergleben,breitetaufseiner
Website schon seit geraumer Zeit Dokumente aus dem Jahr 1947 aus, die das Geschehen belegen.
Dort werden auch weitere Verantwortliche genannt.
MitdemHeimatkreis-AktivistenPeterKlepsch,der1945alsSiebzehnjährigerinPostelbergzu
den Geschundenen zählte, und einem weiteren Überlebenden trafen sich die Gymnasiasten aus
Louny und Kadaň, um den Marsch der Männer und Knaben von Saaz ins fünfzehn Kilometer
entfernte Postelberg nachzuvollziehen. Schüler aus Chomutov gingen den Weg eines weiteren
Todesmarsches zur sächsischen Grenze nach. Andere studierten Akten, interviewten Zeitzeugen
und diskutierten.
IndenfolgendenMonatenschriebendieMitwirkendenindenvierGymnasiendiegewonnen-
en Erkenntnisse auf und dokumentierten sie. Es wurde daraus eine Wanderausstellung
konzipiert, die an verschiedenen Schulen präsentiert wurde, zudem stellte man ein Buch zusam-
men,eineArtReiseführerzudenStättenderVerbrechen.Am27.Januar2011überreichtederLehr-
er Zdeněk Zákutný bei einer Feierstunde in Postelberg dem tschechischen Außenminister Karel
Schwarzenberg, der die Schirmherrschaft über die Wanderausstellung übernommen hatte, zum
krönendenAbschlussdesProjektsdiesesBuch,anschließendführtederPolitikermitdenSchülern
eine angeregte Diskussion.
Eine wichtige Frage, die nicht nur die Schüler bewegte, war auch die Errichtung eines Denk-
malsfürdiejenigen,die1945inPostelbergumsLebengekommensind.MehrereJahrelangwurde
darüberindemStädtchendiskutiert.DemFachausschuss,dendieStadtverordnetenversammlung
dazu einberief, gehörte auch der Deutsche Otokar Löbl an, der 1970 als zwanzigjähriger Re-
gimegegnerausSaazemigriertwarundheuteinFrankfurtamMaineinenFördervereinfürseine
Heimatstadt leitet. Er propagiert einen »Saazer Weg« der Vergangenheitsbewältigung und setzt
sich dabei bewusst von der Sudetendeutschen Landsmannschaft ab: »Ohne Erinnerung kann es
keine Versöhnung geben, aber ewige Vorwürfe führen auch nicht zum Ziel.«
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