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Hier tat Restaurierung not, das sah ein Blinder. Und weil das Haus darauf so viele Jahre
vergeblichwartenmusste,entbranntedarumeinhochpolitischerStreit.DerBrünnerOberbürger-
meisterRomanOnderkaversuchteimmerwieder,ihnzuentschärfen,umseinemährischeMetro-
pole vor einer internationalen Blamage zu bewahren. Zum Beispiel emping er im Jahr 2007 zum
Abendessen Daniela Hammer-Tugendhat, die Sprecherin der Familie Tugendhat, die zusammen
mit ihrem Neffen Eduardo Tugendhat die drei überlebenden Kinder und die Enkel der Erbauer
der Villa vertrat.
Fritz und Grete Tugendhat war es seinerzeit nicht vergönnt, sich lange des neuen Hauses zu
erfreuen. Als Juden mussten sie 1938 vor den Nazis lüchten, sie emigrierten über die Schweiz
nachVenezuela.ZuihrenfünfKinderngehörennebenderJüngstenDanielaauchdieZürcherPsy-
choanalytikerin Ruth Guggenheim-Tugendhat und der Philosoph Ernst Tugendhat, der als emer-
itierter Professor in Deutschland lebt und die ersten Lebensjahre in dem famosen Haus verbra-
chte. Zwei weitere Geschwister sind bereits gestorben, deren Kinder leben in Amerika.
Die Trennung der Familie von der Villa ist bis heute nicht aufgehoben. Das Bauwerk wurde
erst von den Nazis, dann von der Sowjetarmee und danach vom kommunistischen Regime der
Tschechoslowakei in einer Weise genutzt, dass manches wertvolle Objekt, zum Beispiel die halb-
kreisförmige Umfassung des Esstischs aus Ebenholz, dabei zu Schaden kam. Das kostbare Ge-
häuse, das den Ruhm des Bauhaus-Direktors Mies van der Rohe mitbegründete, war nacheinan-
der Wohnraum für Banausen, Anstalt für Körperkultur und Rehabilitationszentrum für Kinder,
ehe Brünner Experten es in den sechziger Jahren gegen vielfältigste Erschwernisse unter Denk-
malschutzstellenlassenkonnten.1985wurdeesauchschoneinmalnotdürftigrestauriert,undin
all den Jahren war Daniela Hammer-Tugendhat, die heute als Professorin für Kunstgeschichte in
Wien lebt, schon um eine professionelle Betreuung bemüht.
Ihr Ehemann Ivo Hammer, Professor in Hildesheim, ist ein international renommierter Res-
taurator und hat mit anderen Experten sowie mit seinen Studenten seit der Wende von 1989 die
Villa vielfach untersucht und Konzepte für eine dauerhafte Sanierung entwickelt. Dass davon
jahrelangnichtsumgesetztwurde,dassnurimmerwiederneueHindernissesichtürmtenundim-
mer neu gestritten wurde, hatte dann das Ganze irgendwann »einfach wie ein Wasserglas« über-
laufen lassen, wie Daniela Hammer-Tugendhat sagt. Sie drohte 2007 mit Klage.
Ursprünglich hatte die Familie eine Rückerstattung des Hauses, die ihr gesetzlich zustünde,
nichtverfolgt.SiebeließesderStadtBrünn,diees1994alsMuseumdemPublikumöffnete.»Un-
ser Ziel ist immer dasselbe geblieben: Das Haus soll ordentlich restauriert werden und es soll öf-
fentlichzugänglichbleiben«,sagteDanielaHammer-Tugendhat.DieBrünnerKommunalpolitiker
schriebeneinenArchitektenwettbewerbaus,dessenErgebnisjedochvoneinemAusgeschiedenen
vorGerichterfolgreichangefochtenwurde.SchließlichentschiedderStadtratimJanuar2007,das
Haus der Familie zurückzugeben. Da eine absurd hohe Schenkungssteuer drohte, sollte dies die
PragerRegierungvollziehen,diesichjedochverweigerte.ZweiMonatespäternahmdasBrünner
Parlament deshalb den eigenen Beschluss zurück, wobei atmosphärisch auch die Enttäuschung
darüber hineinspielte, dass mittlerweile die Tugendhats eine früher restituierte Statue von Wil-
helm Lehmbruck aus der Villa bei Sotheby's in London hatten versteigern lassen. Indes kam die
Zeitung MladáfrontaDnes zu dem Schluss, die Sache sei vor allem durch die Schuld der Brünner
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