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glieder des Nationalbankrats. Ferner vertritt er den Staat nach außen, allerdings braucht er dafür
ebenso die Gegenzeichnung des Ministerpräsidenten oder des zuständigen Ministers wie für die
Ernennung der Generäle, der Botschafter und der normalen Richter. In solchen Fällen ist für die
Entscheidungen »die Regierung verantwortlich«, wie die Verfassung sagt.
Klaus lässt sich durch derlei Bestimmungen jedoch nicht davon abhalten, auch in die aktuelle
TagespolitikeinzugreifenundunüberhörbarseineMeinungzusagen,inInterviewsebensowiein
regelmäßigen Beiträgen für die Zeitungen. Dem früheren Ministerpräsidenten Mirek Topolánek
gabermehrfachvorgroßemPublikumseinMissfallenzuverstehen,wiewohlderalsParteifreund
die ODS führte,dieKlausdochselbereinstmitbegründethatte.DurchscharfeKritikaneinerRen-
tenreform durfte sich auch Topoláneks Nachfolger Petr Nečas, der eigentlich ein Anhänger von
Klaus ist, im Frühjahr 2011 gedeckelt und gedemütigt fühlen. Schon bei einer Krise seiner kon-
servativen Dreier-Koalition vermittelte Nečas zuvor den Eindruck, als ließe er sich vom Präsid-
enten steuern. Effektvoll setzte dieser sich als Vermittler und als Tschechiens Staatsmann Nr. 1 in
Szene, der kompetent noch über der Regierung schwebt. Schon früher hatte Václav Klaus auch
immer wieder Gesetzen die Unterschrift verweigert, die ihm politisch nicht behagten. Und regel-
mäßigmischtersichinjüngererZeitindiePersonalpolitikderRegierungmitklarenUrteilenund
Vorschlägen ein.
AuchdenanderenStaatsinstitutionenfühltsichderPräsidentoffenkundigüberlegen.Solegte
er sich mehrfach mit dem Verfassungsgericht an, und es kam zu Prozessen, die er verlor. Als die
Obersten Richter in jenem heißen Herbst 2009 über die Rechtmäßigkeit des Lissaboner Vertrags
berieten, ließ er es sich nicht nehmen, ein lammendes Plädoyer dagegen zu halten. Die Verhand-
lung musste seinetwegen um zwei Wochen verschoben werden, sodass der ohnehin schon weit
verschleppte Ratiikationsprozess noch weiter ins Rutschen kam. Und als die fünfzehn Richter
einstimmig sein Plädoyer verwarfen, erklärte der Unterlegene ofiziell, das Urteil sei »laienhaft
und konzeptionell fehlerhaft«, zudem in hohem Maße politisch und nicht juristisch motiviert. In
westlichen Demokratien wäre dergleichen undenkbar, im postkommunistischen Kosmos freilich
ist solch unnachsichtiges Gebalge um die eigenen Kompetenzen und den besten Weg der Nation
keine Ausnahme.
Auch Mehrheitsentscheidungen der gewählten Volksvertretung akzeptiert Václav Klaus
keineswegs ohne Widerrede, wenn sie ihm nicht passen. Als im Mai 2009 nach dem Abgeord-
netenhaus mit unerwartet großer Mehrheit auch der Senat dem Lissabonner Vertrag über die EU -
Reformen seine Zustimmung gab, da grollte er düster von seinem Standplatz vor dem Gobelin
in der Burg: »Dies ist ein sehr trauriges Beispiel eines weiteren Versagens eines bedeutenden
Teils unserer politischen Eliten, wie wir es schon von verschiedenen ähnlichen Momenten aus
dertschechischenGeschichtekennen.«DenSatzverstandenJournalistenalsHinweisaufdasJahr
1948, als Präsident Edvard Beneš schmachvoll vor den Kommunisten zurückwich, und vor al-
lemaufdenMünchnerVertragvon1938,mitdemFrankreich,GroßbritannienundItaliendamals
Hitler die Zerschlagung der Tschechoslowakei erlaubten.
Václav Klaus geht bei seinem furiosen Husarenritt gegen jede weitere Integration der EU und
gegenjedeweitereAbgabenationalerRechteandie EU vonderÜberzeugungaus,Europawerde
heute von vier großen Ländern kontrolliert, nämlich Frankreich, Deutschland, Großbritannien
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