Travel Reference
In-Depth Information
Heilung für den Ort der Leiden
Theresienstadt kämpft gegen den Verfall der historischen Festungsbauten und sucht seine Rolle in der
Zukunft
DassdieBürgermeisterinRůženaČechováeinschweresAmthat,stehtniemandemklarervorAu-
genalsihrselber.FünfzehnJahrelangleitetsienunschondieGeschickevonTheresienstadt,und
eigentlich würde sie mit ihren einundsiebzig Jahren und ihren Rückenproblemen gerne die Ver-
antwortunganjemandJüngerenabgeben.Nurindetsichkeiner,dersichderAufgabegewachsen
fühlt.HeuteBürgermeistervonTheresienstadtzuseinverlangtnämlich,eineeinzigartigeBarock-
siedlung zur Genesung zu führen, die unter der Last ihrer Vergangenheit ganz krank geworden
ist. »Das ist wirklich harte Arbeit und kostet Nerven«, sagt Růžena Čechová.
Aus ihren Amtsräumen im Obergeschoss des Rathauses fällt der Blick auf lang gestreckte
Bauten mit renovierten Dächern, ein wertvolles historisches Ensemble. An der Wand hängt ein
Luftbild der Stadt, das übersichtlich die sternförmige Festungsanlage und die darin beindlichen
Gebäudekomplexezeigt.»DasinddieverlassenenKasernen«,sagtdieBürgermeisterinundzeigt
auf eine Häuserreihe. Rechts daneben steht der alte Reitstall. Und oben die Artilleriekaserne, wo
das neue Holocaust-Büro seinen Sitz haben soll.
Der Holocaust, der Völkermord an mehr als fünf Millionen europäischer Juden durch die
Nazis, hat Theresienstadt in aller Welt bekannt gemacht. Ende 1941 zwang das Hitler-Regime
alle Einwohner zum Auszug und wandelte die alte Garnisonsstadt, die leicht abzusperren und
zu überwachen war, komplett in ein Sammellager um. Es diente zur Aufnahme von Juden aus
jenem Teil der zerschlagenen Tschechoslowakei, den die Nazis zum »Protektorat Böhmen und
Mähren« machten. Später wurden auch alte deutsche und österreichische Juden hergebracht. Im
Ganzenwarenbis1945rundhundertzweiundvierzigtausendMenschenindemvölligüberfüllten
Städtchen interniert, siebenundachtzigtausend von ihnen wurden weiter nach Auschwitz und in
andereVernichtungslagergebrachtunddortzumeistinGaskammernermordet.Mehralsdreiun-
ddreißigtausend Männer, Frauen und Kinder kamen im Ghetto- KZ durch Hunger, Seuchen und
Misshandlungen um.
An ihr Leben und Leiden erinnern heute mehrere Gedenkstätten und Museen, in der Stadt
ebensowieinderamStadtrandgelegenenKleinenFestung,einemBrückenkopfamUferderEger.
Dort hatte die Gestapo von 1940 bis 1945 rund dreiunddreißigtausend Tschechen gefangen geset-
zt. Nach Kriegsende wurden dann bis 1948 auf dem Gelände mehr als zweitausend Deutsche in-
terniert, von denen über die Hälfte umkamen. Unter ihnen waren auch NS -Verbrecher.
Theresienstadt als Ort des Schreckens und des Todes - das ist es, was die Welt zur Kenntnis
genommen hat und was die Stadt in Tschechien zu einem der wichtigsten Touristenziele macht.
Rund zweihundertvierzigtausend Besucher im Jahr registrierte die Gedenkstätten-Verwaltung in
Search WWH ::




Custom Search