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Dergleichen Vorkommnisse verstärken bei vielen Tschechen jene Russophobien, die noch aus
der Epoche des Kommunismus rühren. Der Einmarsch der Sowjettruppen 1968 ist unvergessen,
zudem waren die Sowjetführer oft in Karlsbad zu Gast. Es wird natürlich auch gefragt, wie
mancher russische Investor wohl zu seinem Geld gekommen sei. Und eine gern zitierte Legende
besagt, die Bosse verschiedener russischer Maia-Gruppen hätten sich verständigt, in Karlsbad
Ruhe zu halten. Anhaltspunkte für solche Behauptungen existieren nicht, immerhin wurde im
März2011inKarlsbadeininternationalgesuchterBosseinerrussischenMaia-Gruppegefasst,die
in Ungarn Schutzgeld erpresst haben soll. »Es gibt sicher Kriminalität in der Region«, sagt Vize-
bürgermeister Klsák, »aber sie stellt kein großes Problem dar.«
Karlsbadistruhig,nuristfürKlsák»sehroffensichtlich,dassderEinlussdesGeldeshiersehr
großist.«AusländerwolltenihreBedingungenvorgeben,fährterfort,»aberesmussletztendlich
so sein, dass die Bedingungen für das Leben in der Stadt von der tschechischen Seite vorgegeben
werden, weil wir die Stadt regieren.«
Was Karlsbad mitmachte, erlebten andere Städte wie beispielsweise Prag mit anderen In-
vestoren in der postkommunistischen Boom-Phase ebenso. Und wie in Karlsbad klagen Un-
ternehmer auch anderswo, den Anstoß zur Korruption gäben eher tschechische Beamte. Auch
Tomáš Král, der tschechische leitende Direktor der Karlsbader Hotelgruppe Bristol, die russische
Gesellschafter hat, versichert, dass eher die Tschechen krumme Wege gingen. Seine russischen
Arbeitgeber hätten ihm stets ihr Interesse bekundet, alles korrekt nach tschechischem Gesetz
abzuwickeln, sie wollten »alles in Ordnung haben«.
Die Bristol-Gruppe vereint ein Dutzend Karlsbader Hotels unter ihrem Dach, darunter einen
zentralen Komplex an der Kolonnade. Sie ist dabei, sich neu auszurichten, nicht mehr nur die
russische Klientel als Zielgruppe ins Auge zu fassen. Das Geschäft ist international, der sechsun-
ddreißigjährige Tomáš Král spricht mehrere Sprachen, und dass er viel zu tun hat, belegen schon
die ständigen Anrufe auf dem Handy, die ihn beim Gespräch in einem der Hotels an der Tepl er-
reichen. Zum Essen kommt er darüber nicht.
AuchJiřiKotekisteinMann,derseineZeiteinteilenmuss.WieJiříKlsákisterseitNovember
2010stellvertretenderBürgermeister,ersterStellvertretersogarundalssolcherzuständigfürVer-
mögensverwaltung, Stadtentwicklung, Investitionen und Verkehr. Der Landwirt und Manager
war 1989 einer der Akteure der Wende in Karlsbad, danach hat er alle Phasen der Desillusionier-
ung miterlebt und trotzdem vor Jahren mit Freunden beschlossen, »die Sache nicht einfach weit-
erlaufenzulassen«.AlsMitbegründereinerliberalkonservativen»AlternativenVereinigung«war
er ein Vorkämpfer für Moral und Anstand und ein Wortführer der Opposition. In gewisser Weise
kann man seinen Wahlerfolg als eine zweite Welle der »sanften Revolution« von 1989 verstehen.
Zu viele Hoffnungen blieben damals unerfüllt, und Karlsbad ist für Kotek ein Beispiel, »wie
schwierig es ist, in einem kleinen Städtchen den Weg von der totalitären Vergangenheit in die
Freiheit zu inden«. Er lacht und setzt hinzu: »Es braucht drei Generationen.«
Kotek weiß, dass die neue Mehrheit fragil ist, und deshalb will er jetzt möglichst rasch mög-
lichstvielverändern:Strukturen,Regeln,eingefahreneGewohnheiten,dasganzeSystem.DieVer-
gabe städtischer Aufträge bedarf neuer Vorschriften, Karlsbad braucht auch neue Arbeitsplätze.
Zu viele junge Menschen wandern ab, mit Mühe hält die Stadt die Einwohnerzahl noch über der
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