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konservativen Bürgerdemokraten ( ODS ) und Sozialdemokraten ( CSSD ) regiert. Deren Aktivitäten
haben der Mehrheit der Bürger aber so sehr missfallen, dass sie bei der Kommunalwahl im Ok-
tober2010einenspektakulärenMachtwechselherbeiführte.AnsRuderkameinBündnisausdrei
BürgerinitiativenundeinerneuenkonservativenPartei,der TOP09 desAußenministersKarelSch-
warzenberg. Gemeinsam rannten sie gegen die Politik des Laissez-faire der früheren Stadtregier-
ung an.
ManwarfihrKonzeptionslosigkeit,KorruptionundSpezlwirtschaftvor,weilsiewertvolleIm-
mobilien aus städtischem Besitz unter Wert veräußert habe. Auf Protest stieß auch der Bau einer
gigantischenMultifunktionsarena,vondervorallemderörtlicheEishockeyclubundseinSponsor
einen Nutzen haben. Die Verlosung des Bauauftrags für diese Halle wurde auf YouTube ins Netz
gestellt und bald in ganz Tschechien zum Gespött, weil der Loszieher so lange im Eimer wühlte,
dass keiner mehr an eine unparteiische Auswahl glaubte. Schließlich musste sich der abgewählte
Magistrat auch vorhalten lassen, den Denkmalschutz und damit das historische Erbe der Stadt
missachtetundallzuwilligdemDruckderInvestorennachgegebenzuhaben,dieseitderWende
die hübschen Kästen aus der Kaiserzeit aufkauften und sanierten.
Eswarensehroftrussische,aberauchkasachische,ukrainische,turkmenischeoderusbekische
Investoren, angelockt vom Mythos Karlsbad, der im russischen Kosmos alt und stark ist. Schon
1711 weilte Zar Peter der Große in Karlsbad, ihm folgten Grafen, Admiräle, Forscher und bekan-
nteDichterwieNikolajGogolundIwanTurgenjew,dieebensowieJohannWolfgangvonGoethe
oder Karl Marx von den Karlsbader Trink- und Badekuren Abhilfe gegen Gicht, Diabetes oder
Verdauungsbeschwerden erhofften. Nicht erst seit gestern, sondern schon seit 1897 steht im
vornehmsten Stadtviertel, am waldgesäumten Berghang, die russisch-orthodoxe Kirche St. Peter
und Paul, ein Leuchtturm in Weiß, Hellblau und Gold.
Heutzutage kommen jährlich an die vierzigtausend Kurgäste aus dem Osten, 2009 waren es
dreiunddreißigtausendfünfhundertRussenundknappfünftausendBürgerfrühererSowjetrepub-
liken,nichtgerechnetdieüberzehntausendHotelgästeohneKur.DieDeutschen,diedenzweiten
Rang halten, fallen mit dreizehntausendfünfhundert Kurgästen und sechzehntausendfünfhun-
dertsonstigenTouristenab.DieRussenbleibenlängeralsandereGäste,zweiWochenimSchnitt,
undschätzungsweisedreitausendRussenlebendauerhaftinKarlsbad,weitereinderUmgebung.
Doch niemand weiß, auch Vizebürgermeister Klsák nicht, wie viele der Karlsbader Immobilien,
gerade im Kurzentrum, inzwischen in russischer oder kasachischer und ukrainischer Hand sind.
Ist es ein Drittel, wie gesagt wird, oder ist es schon mehr? Sicher ist: Postsowjetische Konsor-
tien besitzen eine ganze Reihe von Hotels, Appartementhäusern, Kurkliniken und edlen Villen.
Zudem wurden Betonbauten in Grünzonen gesetzt, in einem Park ist gar ein »russisches Dorf«
entstanden, wobei die Genehmigung fraglich war.
Es ist diese Art von Unregelmäßigkeiten, über die sich die Karlsbader Bürger erregten. Ein
anderes Ärgernis war die Entkernung zweier Kinderkliniken sowie des historischen Quisisana-
Palace gleich gegenüber dem famosen Grandhotel Pupp. Der Palast - er gehört nach Presse-
berichten zum Imperium der Unternehmerin Jelena Baturina, der Frau des früheren Moskauer
Oberbürgermeisters - wurde deshalb von der Liste der Kulturdenkmäler gestrichen.
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