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»zurRettungdesBöhmerwalds«zusetzen,dieeinsofortigesEinschreitengegendenBorkenkäfer
verlangte.
VáclavKlausiststetsinvordersterFrontdabei,woesgegen»grüneIdeologien«geht,undeine
solche vermutete er hier im Hintergrund. Die politische Entscheidung für die großlächige Aus-
weitung der Wildnis traf 2007 nämlich der damalige Umweltminister Martin Bursík, ein Grüner.
Er entließ auch den Leiter des Nationalparks Šumava, der stark die forstwirtschaftliche Nutzung
der Wälder im Auge hatte, und berief stattdessen den Forstingenieur František Krejčí. Dieser,
selbstineinemDorfimBöhmerwaldaufgewachsen,verfochtschonlangejenesKonzept,dasauch
imNationalparkBayerischerWaldangewandtwird:»NaturNaturseinlassen«.Umgesetztwurde
diesauftschechischerSeitezunächstabernurineinerKernzone,dieersteinundzwanzigProzent
des Nationalparks Šumava ausmachte und nach Krejčís Wunsch bis 2020 möglichst auf dreißig
Prozent ausgedehnt werden sollte.
Der Direktor, der wie alle Forstleute gern grüne Hemden trägt, war sich dabei wohl bewusst,
wie wichtig in allem die gründliche Aufklärung der Bevölkerung ist. In seinem geräumigen Di-
enstzimmer in der Nationalparkverwaltung in Vimperk hatte er eine ganze Serie verschiedenster
Broschüren zu Flora und Fauna zur Hand, als er in einem Interview im Jahr 2009 sein Konzept
erläuterte. »Man muss immer erklären, dass zu solchen Wäldern auch Totholz gehört. Das ist ein
integraler Bestandteil der Naturgesellschaft.«
Die Baumskelette, die von den Borkenkäfern hinterlassen werden, sind als Moderholz hoch-
willkommen. Aus ihm versorgen sich die Jungplanzen, die aus den planzlichen Ruinen wach-
sen. Wie aber geht diese Verjüngung vor sich? Direktor Krejčí ließ ein Lächeln über sein Gesicht
huschen und warf seinen silbernen Laptop an, auf dem er eine ganze Serie von Statistiken,
Filmsequenzen und Graiken vorführte. Über dieses Thema hatte er an der Karls-Universität in
PragseineDoktorarbeitgeschrieben,aufderBasislangjährigerUntersuchungenimBöhmerwald.
Das Ergebnis ist eindeutig. Ganz von alleine sorgt die Natur dafür, dass in den Bergichten-
Schonungen aus vermoderten Stämmen neues Leben wächst. Junge Bäume und Vogelbeer-
sträucherrankensichhervor,undzwarinweitgrößererZahlalsinjenenGebieten,womanfrüher
mitdemPlanzenvonSämlingennachhalf.»DieNaturhatgezeigt,dasssieesbesserkann«,sagte
der Forstwissenschaftler lächelnd.
Deshalbkämpfteerdafür,dassderBöhmerwaldwieder»deralte«werdendürfeunddieWild-
niswiedererwache.Befürchtungen,dieTotholzlächenwürdendieTouristenabschrecken,haben
sichimBayerischenWaldnichtbewahrheitet.EherkönntederAnsturmzustarkwerden.Aufder
Moldau und anderen Gewässern wurde deshalb die Zahl der Boote beschränkt.
DochFriedekehrtedamitkeineswegsein.DerStreitumdenBorkenkäferwurdeinTschechien
immer stärker zum Politikum. Für den Forstdirektor Krejčí verdüsterten sich die Aussichten, als
dieseitAnfang2007regierendegrün-konservativeDreier-KoalitioninPragimMärz2009,mitten
währenddertschechischen EU -Präsidentschaft,durcheinMisstrauensvotumimParlamentscheit-
erte. Es folgte eine Phase politischen Stillstands, und bei der Neuwahl im Mai 2010 kamen die
völlig zerstrittenen Grünen nicht mehr über die Fünf-Prozent-Hürde. Das neue Konzept für den
Böhmerwald verlor somit seinen politischen Paten.
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