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sten Stunde« dabei, ersteigerte 1991 ein Bekleidungskaufhaus am Hauptplatz, aus dem er mit
Zukäufen den Hotelkomplex »Zlatý Anděl« (Goldener Engel) formte, mit unterschiedlichsten
ZimmernundRestaurants.ErhatdurchschnittlichnichtmehralseineinhalbTageUrlaubgenom-
men im Jahr, wie er erzählt, er hat glänzende Geschäfte gemacht und fünfundsiebzig Mitarbeiter
eingestellt,derenEinkommensichseit1989verzehnfachte.Underhatsichübermanchebürokrat-
ische Sturheit geärgert. »Der Tourismus«, sagt er, »verändert die Menschen sehr. Total.« Und er
verändertdieStadt.»KrumauwarnochniesoschönwiejetztindenganzenJahrhunderten«,sagt
er, »und wird vielleicht auch nie wieder so schön sein.« Wann passiert es schon, dass in wenigen
Jahren neunzig Prozent einer Stadt komplett erneuert werden?
Gewiss, Krumau ist schön geworden, das meinen auch die Alten, aber ist es noch Krumau?
»Krumau war noch nie so farbig, wie es heute ist«, sagt Helena Braunová, »es hatte seine eigene
Farbe.« Zimtbraun und grau waren einst, noch vor der Nazizeit, die meisten Häuser, manche
gelb, manche braun. Und die Stadt hatte einen Genius Loci, Frau Braunová hat ihn erforscht. In
ihren Büchern nähert sie sich dem »Mysterium von Krumau« in einer Reihe wohlrecherchierter
Geschichten über die alten Häuser. Es spukt darin, von seltsamen Geräuschen auf dem Dach-
boden ist zu lesen, Türklinken werden wie von Geisterhand gedrückt. Dachböden und Keller-
räume dienen heute dem Geldverdienen, der alte Mythos lebt in den Sagen fort. »Hier ist nur
Business, Business, Business«, sagt Helena Braunová. »Krumau ist wie eine Zuckertorte.«
Und doch erlebt man auch heute, auch im Sommer zur Hauptsaison, noch Momente von ho-
hem Reiz. Mädchenklassen unterhalten an der Mariensäule mit ihren Wechselgesängen den gan-
zenPlatz;VäterfütternmitihrenSöhnendieEntenunterderBrücke;Paddlergleitenimgeschmei-
digenKanuaufdemschnellenFlussvorbei;einGitarrenduoerfülltdieTerrassedes»OldInn«mit
abendlicher Sanftmut, und im Restaurant Lazebna bietet unter Bäumen eine Combo anspruchs-
vollen Folk, die Sängerin ist eine Roma. Gibt es dafür eine schönere Kulisse als die angestrahlte,
grau und zimtbraun dräuende Burg und den murmelnden Fluss?
Nur sind immer zu viele Menschen dabei. Nie ist es ruhig in dieser Stadt, auch wenn man es
als äußerst angenehm empindet, dass die Geräusche hier nur von menschlichen Stimmen und
dem Schlag der Glocken rühren, von Autos kaum. Die sind aus dem Zentrum verbannt oder rol-
len,wennmansieausnahmsweisedochdortantrifft,extremlangsamundleise.Einschmerzliches
Ungleichgewichtwirdbewusst:WodieBesucherinderÜberzahlgegenüberdenBewohnernsind,
gerät die innere Balance in Gefahr. Krumauer Antiquariate bieten mehr ausländische als tschech-
ische Bücher an, das liegt in der Logik der Entwicklung. Wie soll man's steuern?
»Wir müssen die natürliche Schönheit von Krumau schützen«, sagt Jitka Augustinová, die
Pressesprecherin der Stadt. Es gibt einen Entwicklungsplan, der vom Qualitätstourismus spricht.
Schon jetzt sind das Fest der fünfblättrigen Rose, die Sommerkonzerte, die Vorstellungen im his-
torischen Barocktheater und die Aktivitäten im neuen Egon-Schiele-Kunstzentrum in diese Rich-
tung ausgelegt. Schon jetzt hat die Zahl der großen Busse abgenommen, auch im August sind
wochentags viele Restaurantplätze leer. Wer Krumau in aller Stille erleben will, der sollte im
November oder im Februar hinfahren.
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