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Das Teufelsmuseum
von Kaunas
Im Wort velnias (Teufel) steckt der Stamm
vel/vele, was „Seele des Verstorbenen“ be-
deutet. Am Allerseelentag (Vëlinës) besucht
man die Gräber der Verstorbenen. Der Teu-
fel war auch ein Gehilfe der Götter, um die
materielle Welt zu schaffen, und der Wäch-
ter der Weisen und Zauberer (vgl. „Religi-
on“). Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass
der Teufel schon früh ein beliebtes Objekt
der litauischen Volkskunde war. In Mär-
chen und Sagen erscheint er als ein komi-
scher Kauz, als plumpes, unvernünftiges We-
sen, das der Mensch mit Hilfe seines Ver-
standes und seiner Einsicht stets überlisten
kann. Der Teufel der litauischen Folklore ist
im Gegensatz zum christlichen Teufel nicht
die Verkörperung des Bösen. Er ist gar nicht
einmal besonders schlecht, sondern lässt
sich durch Bitten und Flehen leicht umstim-
men. Er hat Verständnis für die Menschen, ja
er empfindet sogar Mitleid mit ihnen und
bietet ihnen seine Hilfe an, für die er aller-
dings eine Gegenleistung fordert. Der
Mensch indes in seiner Schläue und Ver-
schlagenheit trickst den armen Tölpel gerne
aus und versteht es, die Abmachungen stets
zu seinen Gunsten zu kehren.
Die weltweit berühmte Teufelssammlung
wurde vom Volkskünstler Antanas †muidzi-
navi¤ius (1876-1966) gesammelt. Fast alle
Stücke sind Geschenke seiner Freunde aus
aller Welt. Der Künstler entwarf auch die Na-
tionalflagge mit (s. Exkurs „Staatssymbole“).
Ursprünglich sammelte †muidzinavi¤ius
verschiedenste Gegenstände litauischer
Volkskunst, bis ihm der Schriftsteller Tumas-
Vaizgantas 1906 eine Teufelsfigur schenkte,
überreicht mit den Worten aus einem alt-
litauischen Spruch der Volksmagie: „Da
nimm nur, Antanas, und sammle nunmehr
dein ganzes Leben lang lauter Teufel.“ Und
schließlich trug ein alter Teufel, das älteste
Stück der Kollektion, noch höchstpersönlich
zum Entstehen und Gedeihen der Sammlung
bei. Er habe mit seinem üppigen Hanf-
schwanz gewedelt, erzählte †muidzinavi¤ius,
und ihm ein langes Leben, Gesundheit und
Reichtum versprochen, wenn er den Teufeln
in seinem Hause Obdach gewähre und die
Möglichkeit, sich den Menschen zu zeigen.
Der Künstler akzeptierte das Angebot des
Teufels und trickste ihn - anders als in den
Märchen - einmal nicht aus. Im Gegenteil:
Zuerst hatte er seine Sammlung auf 13 Exem-
plare beschränken wollen - ein Teufelsdut-
zend. Doch der Teufel war ein echter Dick-
kopf und beharrte darauf, dass †muidzina-
vi¤ius zwanzig Teufelsdutzende sammeln
solle. „Dann“, so versprach er ihm, „wirst du
der glücklichste Mensch im Lande des Bern-
steins sein“. Und als der Künstler im hohen
Alter - immerhin ist er 90 Jahre alt gewor-
den - seine 20 Teufelsdutzend beisammen
hatte und sich noch kerngesund und fröh-
lich fühlte, da pflegte er zu sagen: „Seht ihr,
der alte schemaitische Teufel hat sein Wort
gehalten.“
Doch bei den 20 Teufelsdutzend ist es
nicht geblieben, denn selbst nach dem Tode
des Künstlers wuchs seine Sammlung noch
weiter. Besucher sind so beeindruckt, dass sie
sich bemühen, sie durch ein Exemplar aus
ihrer Heimat weiter zu bereichern. Es gibt mo-
mentan schon mehr als 3000 Teufelsobjekte,
darunter auch die von Hitler und Stalin, über
Litauen tanzend.
Teufelsfigur
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