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Die Karäer
schränkungen zu leiden hatten, konnten
sich die Karäer sogar Privilegien sichern
und nannten sich nicht mehr Juden, son-
dern „russische Karäer alttestamentlichen
Glaubens“.
Bis heute haben sich die Karäer in der
Gegend von Trakai, Vilnius und um Pane-
vë‡ys als eigene Volksgruppe mit eigenen
Sitten und Gebräuchen erhalten. Sie spre-
chen zum Teil eine eigene karäische Spra-
che, die mit dem Türkischen verwandt ist.
Die Karäer-Häuschen, aus Platzgründen
mit dem Giebel zur Straße gebaut, haben
drei Fenster (je eines für den Hausherren,
den Fürsten und für Gott). Interessierte
können hier auch übernachten (s.u.).
Karäische Küche: Sie basiert hauptsäch-
lich auf Fleisch- und Teiggerichten. Einige
werden täglich, andere nur für festliche An-
lässe zubereitet. Die meisten traditionellen
Gerichte haben aber einen Bezug zu den
religiösen Festen der Karäer, teils auch der
Tataren. Die bekannteste Speise ist kybyn
(Plural: kybynlarbzw. kibinai), eine Art Pas-
tete in Form eines Halbmondes, gefüllt mit
Rind- oder Lammfleisch. Bekannte Gerich-
te sind auch shishlik, gebratene Lamm-,
Rind- oder Kalbfleischspieße; troškinta më-
sa, eine Art Eintopf; chamur-dolma, eine
Brühe mit Klößchen; chanach, ein Eintopf
mit Gemüse und Fleisch in einer Keramik-
schale; ajaklyk, Kuchen aus Lammfleisch;
kiubëtë, Kuchen aus Hühnchenfleisch;
chanachta,granierter Kartoffelkuchen; giu-
liaf almada, in Teig gebackene Äpfel ser-
viert mit Rosenblättermarmelade. Für Ve-
getarier gibt es imam-bajaldy mit Gemüse.
Das Nationalgetränk der Karäer ist
krupnik, ein recht starkes goldfarbiges Ge-
tränk aus Kräutern, Wurzeln und orientali-
schen Gewürzen, das jede Hausfrau bzw.
jeder Koch nach dem eigenen Geschmack
herstellt.
Die Zahl der litauischen Karäer wird von
den Behörden mit knapp 150, davon 70 in
Trakai, angegeben; sie sind damit die kleins-
te Volksgruppe in Litauen. Dennoch haben
sie ihre eigene kulturelle Vereinigung, die
Karaite Cultural Society, Raugyklos 25,
2019 Vilnius, Tel. 611539. Weitere Infos in
Kapitel „Bevölkerung“.
Die Karäer (Karaiten) waren ursprüglich ei-
ne jüdische Sekte, die nur das Alte Testa-
ment, nicht aber den Talmud und die rabbi-
nische Tradition anerkannten. Der Name
leitet sich von der Bezeichnung Kara im ab,
die soviel bedeutet wie „die Biblischen“,
d.h. „Söhne der Schrift“ im Gegensatz zu
den Anhängern der rabbinischen Lehre.
Gegründet wurde diese Sekte zu Beginn
des 8. Jh. n. Chr. von Anan aus dem Hause
David in Babylonien, wo sie von den mo-
hammedanischen Behörden unterstützt
wurde. Sie setzte sich aus verschiedenen
Gruppen zusammen, die die Autorität der
mündlichen Lehren des Talmud anfochten,
und ihre Anhänger nannten sich damals
Ananiten. Nach dem Tode Anans zerfiel
die Sekte wieder und konnte sich in Baby-
lonien nicht mehr behaupten - teils wegen
ihrer komplizierten und rigorosen Gesetz-
gebung, teils wegen überzogener Askese.
Einzelne Gruppen wanderten nach Palästi-
na aus, um dort in strenger Askese zu leben.
Seit der zweiten Hälfte des 9. Jh. setzte
sich für die Sektierer der heute gebräuchli-
che Name Karäerdurch. Gaon Saadja ver-
teidigte das rabbinische Judentum und ver-
suchte, die Karäer aus der jüdischen Ge-
meinschaft auszuschließen. Nach der Mit-
te des 11. Jh. verlagerte sich das Schwerge-
wicht der Sekte in den byzantinisch-türki-
schen Raum. Dort kam es im 15./16. Jh.
erstmals zu einer Annäherung zwischen
Karäern und Rabbaiten (Anhängern der
rabbinischen Lehre). Im 14. Jh. gelangten
die Karäer auf die Krim, und Ende des
14. Jh. ließ der litauische Großfürst Vytau-
tas, dessen Reich sich damals bis ans
Schwarze Meer erstreckte, Karäer zusam-
men mit Tataren von der Halbinsel Krim als
Palastwachen an seinen Hof von Trakai ho-
len. Die Karäer waren auch erfahrene
Handwerker und weitgereiste Händler mit
Sonderrechten. Berühmt waren sie auch als
Gemüsezüchter. 1441 erhielten sie sogar
das Recht der Selbstverwaltung.
Als während der zaristischen Zeit im
19. Jh. die litauischen Juden unter Be-
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