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Leben weit über die Grenzen Litauens
hinaus.
Durch die Vereinigung Litauens mit
Polen in der Union von Lublin (1569)
verlor Vilnius an Bedeutung. Die
Großfürsten residierten in Polen. Vil-
nius fiel an Bedeutung erst hinter Kra-
kau, dann auch noch hinter Warschau
zurück. Es hob sich von anderen Städ-
ten durch seine religiöse Toleranz ge-
genüber vielen Religionen ab; deren
Gläubige wohnten meist in bestimm-
ten Stadtbezirken (so lebten die Luthe-
raner in der Vokie¤iú gatvë, der „Deut-
schen Straße“). 1604 mussten die Cal-
vinisten die Stadt verlassen. Vilnius
wurde 1610 von einem Großbrand
heimgesucht und hatte unter der Be-
setzung durch Russland (1655-61) zu
leiden. Handel und Handwerk lagen
darnieder, die Bevölkerung der Stadt
schrumpfte um die Hälfte, die Obere
und die Untere Burg wurden zerstört.
Im Nordischen Krieg (1700-1721)
zwischen Russland und Schweden,
wechselte Vilnius mehrfach den Besit-
zer und wurde oft geplündert. Erneut
hatte die Stadt unter Bränden zu lei-
den und wurde 1708-11 von Hunger-
und Pestepidemien heimgesucht, die
allein im Sommer 1710 innerhalb von
nur drei Monaten über 30.000 Men-
schenleben forderten. Die Großbrän-
de 1737, 1748 und 1749 zerstörten 12
Kirchen, 15 Paläste und Hunderte von
Häusern. In der Zeit des Niedergangs
der Republik wurde Vilnius dann zur
Stadt der Kirchen und Klöster. Mitte
des 18. Jh. ließen adlige Mäzene ne-
ben prunkvollen Palästen auch 40 Kir-
chen und 18 Klöster bauen, allesamt
im Spätbarockstil. Es erhielt den Na-
men „Rom des Nordens“.
Bei der Dritten Polnischen Teilung
von 1795 fiel auch Vilnius an Russland
und wurde zur Hauptstadt des neuen
Gouvernements. Die Wirtschaft erhol-
te sich, Vilnius begann zu wachsen
und war 1811 mit 56.000 Einwohnern,
nach Moskau und St. Petersburg, die
drittgrößte Stadt Russlands. Die Uni-
versität erlebte eine neue Blüte.
1812 zog Napoleon auf seinem
Marsch nach Moskau in Vilnius ein
und setzte eine litauische Regierungs-
kommission ein. Wenige Monate spä-
ter kehrte er mit seinen geschlagenen
Truppen zurück, bevor der russische
General Kutuzov einmarschierte. In
Vilnius kamen rund 40.000 Soldaten
Napoleons ums Leben, viele davon
verhungerten und erfroren. Nach den
Aufständen gegen die Zarenherr-
schaft von 1825 und 1831 verstärkte
sich die Unterdrückung und Russifi-
zierung. 1832 wurde die Universität
geschlossen.
Durch den Eisenbahnbau zwischen
Warschau und St. Petersburg 1860-69
kam es zu einem erneuten Wirtschafts-
aufschwung und die Einwohnerzahl
erhöhte sich bis 1897 auf 154.000, da-
von 64.000 Juden, deren Anzahl bis
1919 sogar auf 100.000 stieg (s. Ex-
kurs „Jerusalem des Nordens“). 1896-
1902 wird Vilnius zum Zentrum der
„nationalen Wiedergeburt“.
Die Politik spielte sich von 1915 bis
heute (außer der Interimszeit 1920-
1939) vorwiegend in Vilnius ab, so
dass hier auf das allgemeine Kapitel
„Geschichte“ verwiesen sei.
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