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werden; alte Widder streifen meist alleine
umher. Das hellbraune Sommerfell unter-
scheidet sich markant vom dunkelbraunen
Winterfell. Die Schnauze ist meist weiß,
und die Tiere haben auch an anderen Kör-
perstellen oft weiße Flecken. Alte Widder
können bis zu 50 Kilo schwer werden. Die
Widder fechten zur Paarungszeit im Herbst
Rangkämpfe um die Weibchen aus. Nach
fünfmonatiger Tragezeit bringen die Weib-
chen Ende März bis Anfang Mai ein Lamm
zur Welt. Oft sondern sich die Mutterscha-
fe mit ihren Lämmern im Frühsommer/
Sommer vom Rudel ab.
Um einen Mufflon auf Korsika zu sehen
braucht man Glück. Meist weiden sie in der
Dämmerung oder nachts auf den Gebirgs-
hängen und Matten. Wenn man ein
Mufflonrudel erspäht hat, sollte man es nur
aus großer Entfernung und am besten mit ei-
nem Fernglas beobachten, denn die Tiere
sind sehr scheu und können leicht gestört
werden.
Die einleitende Frage aber bleibt: Was
sieht man dort, in den korsischen Bergen?
Ein Wildschaf? Emotional wird man die Fra-
ge sofort bejahen. Wissenschaftlich bleiben
aber einige Fragezeichen. Sie hängen zu-
sammen mit der Abstammung der Haus-
schafe. Nach wie vor ist man sich nur über
die triviale Feststellung hundertprozentig
einig, dass Hausschafe von Wildschafen
abstammen. Aber von welchen? Lange Zeit
ging man davon aus, dass die Urial-Wild-
schafe die Vorläufer der heutigen Haus-
schafe sind. Besonders die Wildschaf-Art
Ovis ammon arcal, die zwischen dem Kas-
pischen Meer und dem Aralsee lebt, wurde
und wird als „Urschaf“ der Domestikation
angesehen.
In den letzten Jahren beginnt man je-
doch immer mehr den Mufflon, insbeson-
dere seine asiatische Form, als Urahn der
Hausschafe zu betrachten. Erschwerend
kommt hinzu, dass die verwandtschaftliche
Beziehung der heutigen Wildschafe Asiens
und des Europäischen Mufflons nach wie
vor unklar ist. Die Systematik der Mufflon-
Gruppe wird mit schöner Regelmäßigkeit
alle paar Jahre umgeworfen.
Unstrittig ist jedoch, dass die Domestika-
tion der Wildschafe mit großer Wahr-
scheinlichkeit in Westasien begann, in einer
Region, in der wahrscheinlich auch der
asiatische Mufflon lebte. Funde in Kultstät-
ten der Megalithkulturen auf Korsika bele-
gen, dass die Menschen damals auch
Mufflons opferten. Und allem Anschein
nach waren diese Tiere der asiatischen
Form ähnlicher als der europäischen. Das
legt nahe, dass vermutlich im 6. oder 7. vor-
christlichen Jahrtausend (wie übrigens
auch in anderen Gegenden Süd- und Mit-
teleuropas) Mufflons nach Korsika einge-
schleppt wurden, die mit großer Wahr-
scheinlichkeit der (asiatischen) Wildform
noch sehr ähnlich waren, aber sich bereits
in einem Domestikationsprozess befanden.
Wenn dem so ist, dann spricht einiges
dafür, dass die Mufflons auf Korsika und
Sardinien nicht ursprünglich heimisch wa-
ren. Der Europäische Mufflon (Ovis gmelini
musimon) wäre demnach ein verwildertes
Hausschaf, das vom Asiatischen Mufflon
(Ovis gmelini) abstammt. In Folge der Insel-
population verringerten sich im Laufe der
Zeit die Größe und das Gewicht der Tiere.
Eine parallele Entwicklung könnte auf Zy-
pern stattgefunden haben, wo es heute
noch im Wald von Paphos wilde Restbe-
stände des Zypriotischen Mufflons (Ovis
gmelini ophion) gibt, der kleinsten bekann-
ten Wildschafform.
Obwohl einiges für diese Theorie spricht,
konnte bisher nichts von alledem zweifels-
frei nachgewiesen werden. So bleibt auf
Korsika nicht nur die Herkunft der Mega-
lithkulturen im Dunkeln, sondern auch die
der Wildschafe.
Europäischer Mufflon
 
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