Travel Reference
In-Depth Information
ständige, geheimnisvolle, raue und bis-
weilen harte Ausstrahlung anderer kor-
sischer Städte sucht man hier verge-
bens. Wahrscheinlich lässt sich Ajac-
cio am besten genießen, wenn man es
nicht vergleicht.
Obwohl Ajaccio seit langem die be-
deutendste Stadt Korsikas ist, wurde
die korsische Geschichte zum großen
Teil nicht hier, sondern an anderen Or-
ten der Insel geschrieben. Ajaccio war
meist eine Verbindungsstadt, aber sel-
ten ein Ort, von dem korsische Initiati-
ven ausgingen. Es gibt Ausnahmen. Ei-
ne der augenfälligsten Ausnahmen ist
die gesellschaftliche Veränderung,
die mittlerweile ganz Korsika durch-
dringt. Neben dem Zusammenwach-
sen Europas und dem Einfluss des
Fremdenverkehrs war Ajaccio wahr-
scheinlich der wichtigste Antriebsmo-
tor für diese Veränderungen. Die bis-
weilen strengen alten Traditionen und
Sitten Korsikas galten hier schon län-
ger nicht mehr so stark wie andern-
orts. Die Menschen lebten freizügiger
und unbeschwerter, weniger zurück-
gezogen, und die klassischen Familien-
rollen waren schon in den 1980er Jah-
ren nicht mehr so ausgeprägt. Diese
Entwicklung hat auch eine erkennbare
Schattenseite. In Ajaccio (und ansatz-
weise auch in Bastia) gibt es seit eini-
gen Jahren Menschen, die durch das
früher dicht geknüpfte familiäre Netz
gefallen sind. Die Zahl der Bettler und
Obdachlosen in Ajaccio hat etwa seit
der Jahrtausendwende stetig zuge-
nommen. Sie ist im Verhältnis zur Si-
tuation in vielen Städten in Deutsch-
land oder Frankreich immer noch sehr
gering, aber sie ist ein sichtbares Zei-
chen beginnender Entwurzlung man-
cher Menschen.
In dieser Hinsicht hat Ajaccio end-
lich doch etwas typisch Korsisches an
sich: Es geizt nicht mit Gegensätzen.
Allerdings sind diese dem Stil der Stadt
entsprechend etwas versteckt und erst
dann zu sehen oder zu spüren, wenn
man sich öfter hier aufhält. Ajaccio
lädt zum Entspannen und Verweilen
ein; und wenn man die Nase voll vom
Stadtleben hat, ist es nicht weit zurück
in die wilde Natur Korsikas. Manchmal
weht der Ostwind im Frühjahr Pollen
aus der Macchia in die Stadt und ver-
breitet einen unverwechselbaren Duft.
Geschichte
Ajaccios Anfänge reichen bis in die
Antike zurück. An den Hügelflanken
oberhalb des heutigen Port de l'Ami-
rauté (Charles Ornano) gab es eine
Römersiedlung mit dem Namen Adia-
cum. Auf dieses Wort geht auch der
heutige Stadtname zurück. Im Toskani-
schen hieß „adiaccio“ soviel wie eine
„Winterweide für Viehherden“, was
die Funktion der Region um Ajaccio
zur damaligen Zeit sicher treffend be-
schreibt.
Die erste urkundliche Erwähnung
der Stadt geht zurück auf das 6. Jahr-
hundert. Im Nordosten Ajaccios hat
man Überreste einer frühchristlichen
Basilika gefunden, die wahrscheinlich
die erste Kathedrale des Bistums Ajac-
cio war. Die Stadt teilte im Mittelalter
das Schicksal fast aller anderen kor-
sischen Küstenstädte. Sie war wieder-
holt das Ziel von Überfällen durch Pi-
 
Search WWH ::




Custom Search