Travel Reference
In-Depth Information
halbnomadische Bevölkerung von der
Viehzucht lebte und wahrscheinlich den
neumodischen Früchten der Römer nicht
viel abgewinnen konnte.
Der Durchbruch für die Kastanie kam
gegen Ende des 13. Jahrhunderts, als die
Genuesen die Wiedereinfuhr der Kastanie
auf Korsika vorantrieben. Trotz des offen-
sichtlichen Vorteils für die einheimische Be-
völkerung, mit Hilfe der Kastanien die Nah-
rungsknappheit im Winter besser zu über-
stehen, stießen die Genuesen nicht nur auf
politischen sondern auch auf „Kastanien-
Widerstand“. Dass sich die Frucht beim
zweiten Anlauf dennoch durchsetzte, ist
sanftem Druck zu verdanken. Die Genue-
sen ordneten unter Androhung einer Geld-
strafe an, dass alle Bauern jährlich mindes-
tens vier Bäume pflanzen und pflegen
mussten. Während im Flachlandbereich die
meisten Bauern zum Ölbaum griffen, ent-
schieden sich die Bewohner der höher lie-
genden Gebiete für die Kastanie, da diese
in den Mittelgebirgslagen am besten ge-
dieh. Nun entdeckten die Korsen auf ein-
mal, was in Kastanien alles steckt. Der Sie-
geszug des Baumes auf Korsika hatte be-
gonnen. Besonders in der Castagniccia fäll-
te man fast alles, was an Bäumen herum-
stand, und pflanzte wie wild Kastanienbäu-
me. Vom späten Mittelalter bis zum frühen
19. Jahrhundert war die Castagniccia bei-
nahe eine Kastanienmonokultur. Die Kasta-
nie wurde zum „Brotbaum“ Korsikas. Je-
des Haus hatte ein „Kastanienzimmer“. Es
diente als Trockenraum für Kastanien und
war mit einer Feuerstelle versehen, um das
Trocknen zu beschleunigen. Nach dem Ent-
fernen der Schale wurden die Früchte meist
in einem Ofen weiter getrocknet, bevor sie
schließlich zu Mehl verarbeitet wurden.
Dieses Mehl bildete die Nahrungsgrundla-
ge für die Korsen bis ins 19. Jahrhundert. Es
wurde zum Brotbacken verwendet, zur
Herstellung von Gebäck und Teigwaren,
für die korsische Variante der Polenta (Pu-
lenta) oder zur Herstellung einer Pastete
082ko Foto: wk
Die Kastanie -
das ehemalige
korsische Grund-
nahrungsmittel
Im Vergleich zur Neigung der Korsen, Tra-
ditionen über sehr lange Zeiträume zu be-
wahren, ist die Kastanie in geschichtlichen
Dimensionen betrachtet eher eine kulina-
rische Mode-Erscheinung, deren Bedeu-
tung „nur“ etwa 500 Jahre anhielt. Die
Edelkastanie (Castanea sativa) gelangte in
Etappen auf die Insel. Der Baum stammt
ursprünglich aus Vorderasien und wurde
vor gut 2000 Jahren von den Römern nach
Südeuropa eingeschleppt, da sie die po-
tenzielle Nutzbarkeit der Früchte erkannt
hatten. Sie versuchten später die Kastanie
in ihrem gesamten Einflussbereich zu ver-
breiten. Auch wenn die Römer damals Eu-
ropa beherrschten, entzog sich die Natur
ihrer Macht und die Edelkastanie wurde
auf der britischen Insel und in Germanien
kein durchschlagender Erfolg, da sich die
Früchte im kalten Klima, wenn überhaupt,
nur klein und schrumpelig entwickelten.
Auf Korsika war dem Baum allerdings trotz
geeigneten Klimas anfangs keine Karriere
beschieden, da die ansässige, weitgehend
Search WWH ::




Custom Search