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den den Korsen aber kaum weiterge-
hende Selbstverwaltungsrechte oder
die Anerkennung ihrer kulturellen Ei-
genständigkeit zugebilligt. Der Wider-
stand begann sich nun stärker zu or-
ganisieren. 1975 wurde Korsika in
zwei Départements aufgeteilt: Corse-
du-Sud mit der Hauptstadt Ajaccio
und Haute-Corse mit der Hauptstadt
Bastia. Im gleichen Jahr gründete sich
die berühmteste der militanten korsi-
schen Separatistenorganisationen, die
Nationale Korsische Befreiungsfront
FLNC (Front de Libération Nationale
de la Corse).
Es folgten gut 15 Jahre des Bomben-
terrors: Besonders zwischen 1975
und den frühen 1990er Jahren geriet
Korsika oft in die Schlagzeilen der eu-
ropäischen Presse. Fast immer waren
Bombenanschläge korsischer Separa-
tisten der Grund dafür. Banken wur-
den gesprengt, Büros französischer
Einrichtungen, Touristenunterkünfte
und andere Bauwerke in die Luft ge-
jagt, durch deren Zerstörung man den
Staat zu treffen versuchte. Der bewaff-
nete Kampf der Separatisten forderte
viele Opfer auf der Insel, darunter den
französischen Präfekten auf Korsika,
Lokalpolitiker und Einheimische, die
sich weigerten zu kooperieren. In den
Jahren des bewaffneten Widerstands
sind nie direkte Anschläge gegen Tou-
risten ausgeführt worden. Entweder
der Anschlag galt einer leer stehenden
Feriensiedlung oder die Touristen wur-
den vor der Detonation einer Bombe
von den Terroristen „evakuiert“.
1991 wurde schließlich ein Selbst-
verwaltungsstatut für Korsika verab-
ein guter Vorwand, die „gekränkte Ehre“
der rechtschaffenen korsischen Weinbau-
ern zu verteidigen. Gewaltsame Übergriffe
auf Repatriierte und deren Familien nah-
men zu. Der Konflikt gipfelte im August
1975 als ein korsischer Nationalist namens
Edmond Simeoni mit zwanzig seiner Ge-
folgsleute ein Weingut bei Aléria besetzte,
um gegen die französischen Unterstützun-
gen für Repatriierte zu demonstrieren.
Was anfangs noch relativ harmlos aus-
sah, artete in einen folgenschweren Zu-
sammenstoß aus. Im Gefühl die Staats-
macht zeigen zu müssen, um wieder Ruhe
und Ordnung herzustellen, entsandte
Frankreich an die tausend Polizisten, Spe-
zialtruppen und gepanzerte Einheiten zum
besetzten Weinkeller. Trotz der erdrücken-
den Übermacht wehrten sich die Nationalis-
ten. Bei der Stürmung des Weinkellers wur-
den zwei französische Polizisten getötet
und ein Besetzer verletzt. Simeoni stellte
sich, unter der Bedingung, dass seinen Mit-
streitern kein Prozess gemacht wurde.
Diese Vorkommnisse markieren zwar
nicht den Beginn der gewaltsamen Ausein-
andersetzungen zwischen korsischen Sepa-
ratisten und der französischen Besatzungs-
macht, aber sie trugen zu einer spürbaren
Verschärfung des Konflikts bei. In den Fol-
gejahren nahmen die Anschläge auf Kor-
sika zu und die Separatisten-Organisatio-
nen bekamen mehr Unterstützung durch
die Bevölkerung.
Heute hat der Konflikt an Schärfe verlo-
ren. Seit Mitte der 1980er Jahre bekommen
die Repatriierten keine staatlichen Unter-
stützungen mehr, und Korsikas begrenzte
Selbstverwaltung innerhalb Frankreichs ist
ein Stück weit vorangekommen. Aber die
Familien der repatriierten Siedler sind nach
wie vor meist nicht integriert. Sie bekom-
men die rassistische Haltung mancher Kor-
sen immer noch zu spüren, auch wenn An-
schläge und Übergriffe selten geworden
sind.
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