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triiert wurden. In Anlehnung an die Be-
zeichnung der Kolonialbeamten in Nord-
afrika nannten die Korsen die neuen Sied-
ler bald „pieds noirs“ (Schwarzfüße), was
nicht als Kompliment zu verstehen ist.
Von Anfang an war die Ansiedlung von
etwa 17.000 Repatriierten ein konfliktgela-
denes Thema, obwohl viele sogar korsisch-
stämmig waren, da eine beträchtliche Zahl
von Korsen Dienst in französischen Kolo-
nien geleistet hatte. Aber im Unterschied
zu den einheimischen Korsen hatten viele
der neuen Siedler eine andere Arbeitsmo-
ral. Während die Korsen traditionell ein
eher gemächliches Lebens- und Arbeit-
stempo an den Tag legen, waren viele der
neuen Siedler harte Arbeit gewöhnt, man-
che nahmen es aber mit den korsischen
Ehrvorstellungen nicht so genau.
Folglich schafften es die „pieds noirs“
nicht selten, ehemals nur extensiv oder
lückenhaft bestelltes Land in eine intensive
landwirtschaftliche Nutzfläche umzuwan-
deln, die bald gute Gewinne abwarf. Si-
cher ist die Anmerkung vieler Korsen ge-
rechtfertigt, dass die Neusiedler anfangs
vom französischen Staat mit massiven fi-
nanziellen Starthilfen unterstützt wurden,
eine Unterstützung, die die korsischen Bau-
ern nicht erfahren hatten. Aber Tatsache
bleibt auch, dass viele Repatriierte diese
Starthilfen umsetzten und bald unabhängig
von staatlicher Unterstützung leben konn-
ten. Der schnelle Reichtum der „pieds
noirs“ erweckte den Neid vieler Korsen.
Der heute auf Korsika noch anzutreffende
Rassismus, der sich vorwiegend gegen
Nordafrikaner richtet, geht zu einem guten
Teil auf diese Entwicklungen in den 1960er
und 1970er Jahren zurück.
Mitte der 1970er Jahre wurden die Ani-
mositäten zwischen Korsen und den Neu-
siedlern weiter angeheizt als bekannt wur-
de, dass einige Winzer in der Gegend von
Aléria ihre Gewinne zum Teil mit ge-
panschten Weinen erzielt hatten. Dies war
037ko Foto: wk
Der Konflikt
um Korsikas
„pieds noirs“
Aléria liegt inmitten der größten Weinbau-
region der Insel. Die landwirtschaftliche
Nutzung dieses Gebietes war zur Zeit der
Römer weit fortgeschritten, erlebte nach
Einschleppung der Malaria aber einen
Rückfall. Jahrhunderte lang war die Küs-
tenebene aus Angst vor der Malaria kaum
besiedelt. Die Menschen wohnten in den
Dörfern oberhalb der Ebene oder im Berg-
land und durchquerten die Ebene nur,
wenn sie zum Meer mussten. Dem bereite-
ten erst die Amerikaner im Zweiten Welt-
krieg durch den massiven Einsatz von Che-
mikalien und der Auslöschung der Malaria
ein Ende.
Nach dem Krieg versuchte Frankreich,
die landwirtschaftliche Nutzung der Plaine
Orientale voranzutreiben und zu fördern.
Anfangs lief das Programm nur schlep-
pend, aber in den 1960er und 1970er Jah-
ren erlebte die Landwirtschaft einen star-
ken Aufschwung durch die Ansiedlung
von ehemaligen französischen Beamten
und ihrer Familien, die nach dem Verlust
der meisten Kolonien in Frankreich repa-
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