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Korsen nicht hatten: Getreide, Klei-
dung, Schuhe, Geld und Waffen. Ge-
rade einmal vier Wochen nach seiner
Landung auf Korsika wurde er in der
Klosterkirche von Alesani zum König
Théodore I. von Korsika gekrönt, dem
einzigen in der Korsischen Geschichte
übrigens. Es dauert nicht lange, bis die
Vorräte aufgebraucht waren und kein
Nachschub mehr eintraf. Als Frank-
reich Genua zu Hilfe eilte und der Kö-
nig keinen Rückhalt mehr auf Korsika
hatte, war das Ende von Théodore I.
nach nur acht Monaten besiegelt. In-
kognito gelang ihm die Flucht über
Frankreich nach England.
20 Jahre lang reihte sich nun Auf-
stand an Aufstand. 1755 wurde der
erst 30-jährige Pasquale Paoli zum
Anführer der Korsen gewählt ( Ex-
kurs: Pasquale Paoli). Paoli hatte et-
was, das den meisten seiner Vorgän-
ger gefehlt hatte: Nicht nur der
Wunsch nach der korsischen Unab-
hängigkeit trieb ihn voran, sondern
auch eine politische Vision, wie ein
unabhängiges Korsika aussehen könn-
te. Paoli war zwar ein korsischer Na-
tionalist, aber kein Draufgänger, eher
ein Stratege. Er wurde zur Symbol-
figur der Korsen, mehr noch als Sam-
piero Corso und, zumindest auf Korsi-
ka, mehr als sein späterer Widersa-
cher Napoléon Bonaparte. Von 1755
bis 1769 bestimmte Paoli die Ge-
schicke Korsikas, mit Ausnahme der
genuesischen Bastionen, wie etwa
Calvi, die die Korsen nicht einnehmen
können.
Auch Paoli ist eine tragische Gestalt.
Es gelang ihm vieles, was niemand zu-
vor erreicht hatte, aber letztlich endete
auch sein Engagement in einer Nie-
derlage für die Korsen. Paoli schaffte
es, die korsischen Widerstandsgrup-
pen zu einen, er etablierte ein demo-
kratisches politisches System, refor-
mierte die chaotische Verwaltung auf
Korsika, führte die Schul- und Militär-
pflicht ein, gründete die korsische Uni-
versität in Corte und trat öffentlich ge-
gen die Vendetta ein. Innerhalb von
nur zehn Jahren gestaltet er die Insel in
ein Staatsgebilde um, das auf mensch-
lichen und politischen Grundwerten
beruhte, die beinahe zeitlos erschei-
nen, aber nur selten umgesetzt wer-
den, und die sich Jahrzehnte später
die Französische Revolution auf ihre
Fahnen schrieb. Jean-Jacques Rous-
seau gab zu, dass er ein glühender
Verehrer Paolis und seiner Ideen war.
Aber das Märchen hatte kein Happy
End. Den Genuesen war Paoli mit sei-
nem Erfolg und seinen fortschrittlichen
Ideen nicht geheuer. Sie riefen Frank-
reich um Hilfe an. Am 15. Mai 1768
wurde der Vertrag von Versailles un-
terschrieben, in dem Genua seine
Rechte an der Mittelmeerinsel Korsika
an Frankreich abtrat. Man mag getrost
fragen, welche „Rechte“?
Paoli-Denkmal in L'Île Rousse
 
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