Travel Reference
In-Depth Information
Die Beati Paoli, zu denen es viele, teilweise sehr phantasievolle Veröffentlichungen gibt,
waren Mitglieder einer Geheimsekte, deren Entstehung gelegentlich sogar bis ins
13. Jahrhundert zurückdatiert wird. Ihre Aufgabe sahen sie in der Wiedergutmachung des
den Armen zugefügten Unrechts - oder Rache. Die Sekte wäre somit die private,
außerhalb des Gesetzes stehende Antwort auf die Schikanen der Feudalherren, die in
ihren Lehen auch die Macht hatten, nach Gutdünken Recht zu sprechen. Natoli/Galt
zufolge versammelten sich die Beati Paoli, ihre Gesichter von Kapuzen verhüllt, im
palermitanischen Stadtviertel Capo zu einem unterirdischen Tribunal. Das Labyrinth der
Stollen geht auf eine frühchristliche antike Nekropole zwischen der Kirche Santa Maruzza
und dem Vicolo degli Orfani aus dem 4. Jahrhundert zurück. In diesem Areal gibt es vier
Meter unter dem Erdboden tatsächlich eine geräumige Höhle mit einer an den Seiten
rundum laufenden steinernen Bank. In diesem düsteren Ambiente kann man sich sehr gut
ein Geheimtribunal vorstellen, das im flackernden Licht der Fackeln Urteile fällt.
Niemand hat mit Sicherheit verifizieren können, ob die Erzählungen über die Beati
Paoli der historischen Wahrheit entsprechen oder aus Legenden entstanden sind, die über
Generationen mündlich überliefert wurden. Wir wissen nur, dass sich seit dem Ende des
19. Jahrhunderts in Sizilien die Überzeugung verbreitete, die Sekte und ihre Rächer hätten
wirklich existiert.
In diesem Fall hat im Übrigen die Historizität der Ereignisse wenig Bedeutung. Wie in
der Religion ist das, was hier wirklich zählt, das Bedürfnis zu glauben, der Trost, den man
aus dem Vertrauen darauf ziehen kann, dass es irgendwo in einem unterirdischen
Gewölbe oder einem Palazzo Männer gibt, die in Aktion treten, um in irgendeiner Form
eine Gerechtigkeit wiederherzustellen, die erlittenes Unrecht kompensiert. In seinem
Essay macht Umberto Eco auch darauf aufmerksam, dass der Leser eines historisierenden
Trivialromans «von der fiktiven Erzählung verlangt, dass sie ihn mit Bildern von
Gerechtigkeit tröstet, die von anderen ausgeübt wird, um ihn vergessen zu machen, wie
wenig Gerechtigkeit ihm in der Wirklichkeit widerfährt». Vorher schon hatte Antonio
Gramsci (in Letteratura e vita nazionale[ 15 ]) geschrieben, der Fortsetzungsroman rege den
 
Search WWH ::




Custom Search