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Betrüger hin, der sich als Verkäufer von Illusionen durchgeschlagen habe wie jeder x-
beliebige Quacksalber. Ein Schurke, gewiss, aber von kleinem Zuschnitt, nichts, was die
Kirche beunruhigen müsse, und vor allem aufgrund offenkundiger theologischer
Inkompetenz kein Ketzer (die gravierendste Anklage). Was seine Frau angehe, so sei sie
eine Prostituierte, deren Anzeige nicht die geringste Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Am
7. April 1791 erging das Urteil des Santo Uffizio, in dem es hieß:
Um besondere Gnade walten zu lassen, wird ihm die [Todes-]Strafe umgewandelt in die Auslieferung an den
weltlichen Arm mit immerwährendem Gefängnis in irgendeiner Festung, unter strikter Bewachung, ohne
Hoffnung auf Begnadigung. Sowie von ihm am Ort seiner gegenwärtigen Haft Abschwörung als formaler Ketzer
geleistet worden ist, wird ihm die Absolution der Sünden erteilt, und es werden ihm die gebührenden heilsamen
Bußen auferlegt.
Die auserwählte Festung war eine der übelsten, Rocca di San Leo im toskanisch-
romagnolischen Apennin. In dieser düsteren Burg wurde eine Zelle für ihn gewählt, die
schon ein Grab war. Sie wurde der Pozzetto genannt, der Gully, eine Grabkammer mit
einem winzigen Fenster, einer Pritsche als einzigem Einrichtungsgegenstand, keiner
Öffnung in der Mauer außer einer Luke in der Decke, durch die der Gefangene an Stricken
herabgelassen wurde, die man dann sofort wieder hochzog. Cagliostro versuchte es mit
einer letzten Maskerade: Er wurde fromm und widmete sich von Stund an nur noch der
Andacht. Die Wärter, die ab und zu durch die Luke guckten, sahen ihn ständig ins Gebet
vertieft, wobei er sich an die Brust schlug, oder beim Malen heiliger Bilder an die
Mauerwände, oder wie er mit ekstatischem Ausdruck ein Kruzifix anstarrte, das sie ihm
zugestanden hatten. Er ging so weit, als vorgeblichen Akt der Reue das Essen zu
verweigern. An die Stelle der anfänglichen Simulation trat an diesem schrecklichen Ort,
an dem sich die Tage ohne Hoffnung ewig hinzogen, mit der Zeit wahrscheinlich echter
Wahnsinn, von dem er im August 1795 im Alter von 52 Jahren erst durch den Tod erlöst
wurde.
Seine Frau, deren Zeugenaussage entscheidend gewesen war, wurde im Prozess zwar
freigesprochen, kam aber nie wieder aus dem Kloster heraus. Der arme Kapuziner wurde
zu zehn Jahren Kerker verurteilt, die er, wie schon gesagt, im Kloster von Ara Coeli
verbüßte.
Nachdem man den Leichnam Cagliostros entdeckt hatte, der nach drei Tagen
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