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in allem, kommentiert Camilleri, ist: «Baron Pisani … das klassische Beispiel des
Sizilianers, der, wie Pirandello in der Narrenkappe behauptet, drei Uhrfedern im Kopf hat,
die ernste, die zivile und die verrückte, und daher entsprechend die Uhrfeder, die er
gerade für opportun hält, zieht.»[ 14 ]
Der Zufall wollte es, dass sich Baron Pisani tatsächlich, wenn man so will, professionell
mit den «Verrückten» zu befassen hatte. Eigentlich war es aber gar nicht der Zufall,
sondern der Generalstatthalter Marquis Pietro Ugo, der Pisani 1824 zum Direktor des
Ospizio dei matti (wörtl. Irrenhospiz) ernannte, das seinen Sitz im Kloster der Theresianer
Barfüßer hatte. Zur damaligen Zeit wurde der Wahnsinn von vielen als Strafe Gottes für
eine Schuld angesehen, die auch in die graue Vorzeit irgendeines Vorfahren zurückreichen
konnte. Eine abergläubische Vorstellung, die die grauenhaften Zustände, in denen diese
Unglücklichen verwahrt wurden, teilweise erklärt. Andererseits - und nur zur Klarstellung
- waren die Zustände in den Irrenanstalten des späteren Königreichs Italien und selbst der
Repubblica Italiana bis zu Franco Basaglias Reform von 1978 auch nicht sehr viel anders.
Baron Pisani selbst gibt uns nach seinem ersten Besuch im Irrenhospiz die folgende
erschütternde Zusammenfassung:
Wenn ich den Zustand von Vernachlässigung, in dem ich diesen Ort tatsächlich vorfand, nicht mit eigenen
Augen gesehen hätte, wenn ich es von irgendjemandem gehört hätte, ich hätte es nie im Leben geglaubt. Er
hatte eher das Aussehen eines Jahrmarktskäfigs als das einer Behausung für menschliche Kreaturen. Wenn man
den Blick in das Innere des engen Gebäudes richtete, konnte man einige wenige dunkle, schmutzige, ungesunde
kleine Zellen erkennen: zu einem Teil den verrückten Männern zugewiesen, zum anderen den verrückten
Frauen. Diese waren dort eingeschlossen und unterschiedslos zusammengepfercht: die Wahnsinnigen, die
Dementen, die Rasenden, die Melancholiker. Einige von ihnen auf ein wenig Stroh und Dreck liegend, die
meisten auf dem nackten Fußboden. Viele waren vollkommen nackt, einige mit Lumpen bedeckt, andere in
ekelhafte Fetzen gewickelt; und alle angekettet wie Tiere und von lästigen Insekten geplagt, litten sie unter
Hunger und Durst und Kälte und Hitze und Hohn und Qual und Schlägen. Erschöpft und verstört starrten diese
Unglücklichen auf jeden Menschen, der plötzlich vor ihnen auftauchte; und vom Schrecken erfasst in der Angst
vor neuen Qualen, brachen sie sogleich in Anfälle von Wut und Tobsucht aus. Wenn sie sich dann der
mitfühlenden Haltung derer, die sie mitleidig ansahen, sicher waren, baten sie über die Maßen herzzerreißend
um Erbarmen, zeigten dabei die Einschnitte der Eisenfesseln und die Blutergüsse von den Schlägen, mit denen
ihre gesamten Körper überzogen waren.
Pisani setzte sich so engagiert dafür ein, die Lebensbedingungen der Patienten zu
verbessern, dass der palermitanische «Giornale d'Intendenza» bereits nach wenigen
Monaten vermelden konnte: «Das Krankenhaus der Irren …, das der Zuständigkeit eines
von philanthropischem Geist erfüllten Bevollmächtigten überantwortet wurde, hat sein
Aussehen erheblich verbessert und ist, dank der Ressourcenerhöhung, bereits auf dem
 
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