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Der Tod ist hier ständig präsent, vielleicht sollte man besser sagen, er ist ein diffuser und
konstanter Seelenzustand. Ein pathetischer Tod, auch er barock, der grauenvolle Tod der
gemarterten Jungfrauen, der von Schwertern durchbohrten Madonnen, der Gehäuteten,
der lebendig Verbrannten, der Gehenkten. Der Tod auf den gewaltigen Holzgestellen, die
bei den Karfreitagsprozessionen unter furchterregendem Schwanken durch die Straßen
vorrücken, auf den Schultern von jungen Männern, die sich, gebeugt unter dem
tonnenschweren Gewicht von Holz, Gips, Ornamenten, Umhängen, Lichtern, Votivgaben
durch das Spalier einer Menge hindurchkämpfen, die sich begeistert und erschüttert
bekreuzigt, wie gebannt auf die Statue starrt, die Wunden zählt, egal ob es sich dabei um
die schmerzensreiche Madonna handelt oder um die Urne mit einer sehr realistischen
Skulptur des blutüberströmten Christus, dessen Gesicht ebenso vom Schmerz gezeichnet
ist wie die der Flagellanten, die sich während der Prozession den Rücken peitschen, bis
ihnen das Blut aus den Wunden spritzt.
Nicht von ungefähr wurden von den Tribunalen der Inquisition in Palermo die
gelungensten Autodafés veranstaltet. Der Journalist und Schriftsteller Pietro Zullino hat in
seinem inzwischen leider nicht mehr auffindbaren Buch (1972) über die Stadt
festgehalten, wie rasch sich das Palermitanische Autodafé zu einem kolossalen Spektakel
entwickelte, einem echten Volksfest. Es wurden Tribünen errichtet, auf denen die
Ehrengäste in fröhlicher Erwartung der Exekutionen aßen und tranken: «Die Technik des
Scheiterhaufens und die physische Widerstandskraft des Verurteilten waren in den
Palästen der Barone monatelang Gesprächstthema, ein wenig wie der Stier der Corrida in
Spanien.»[ 5 ] Am Ferragosto des Jahres 1573 wurden gleichzeitig ein Muselmane, ein als
Muselmane Verdächtigter und ein alter Mann verbrannt, «der behauptete, die Seele stirbt
mit dem Körper». Der Jubel des Volkes war enorm. Die Pracht dieser Spektakel löste
sogar bei den Spaniern Bewunderung aus.
Der Apparat des Santo Uffizio war nicht nur erbarmungslos, sondern auch ziemlich
flächendeckend. Vizekönig Don Marcantonio Colonna ermittelte - auch dies Pietro Zullino
zufolge -, dass 1577 auf der Insel nicht weniger als 24.000 Personen für das Santo Uffizio
arbeiteten, 15.000 davon allein in Palermo. Alle zusammen bildeten sie die sogenannte
Familie der Inquisition; als Spione der Dominikaner genossen sie das Privileg, keine
 
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