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ihr mageres Salär durch Naturalien auszugleichen.
Die 945 Briefe der Briefsammlung, die der wahre Roman von Leopardis Leben sind,
bieten uns unvergleichliche Figuren und Skizzen. Am 25. November schreibt er an Carlo:
«Ich bin gezwungen, das Leben des Hauses Antici zu führen; dieses Leben, von dem wir
beide, als wir gemeinsam darüber nachgedacht haben, weder wussten, was es war, noch
woraus es bestand, noch wie es sich aufrechterhalten konnte, noch ob es auf irgendeine
Weise überhaupt Leben war.»
Das Leben in Recanati, in dem schönen ererbten Palazzo, war wohl nicht viel anders,
abgesehen von der bemerkenswerten Gelehrsamkeit des Vaters Monaldo, der sehr stolz ist
auf seine Bibliothek, in der Giacomo einen großen Teil seiner Jugend verbringt. Eben
dieser «Casa Leopardi» hat Alfredo Panzini einen schönen Essay gewidmet, der unter
anderem das folgende markante Porträt des Conte Monaldo enthält:
Einer der einzigartigsten Gentlemen seiner Zeit, die Kirche und das Schwert, also der Thron und der Altar hatten
kaum einen unermüdlicheren Kämpfer als ihn … Weder groß noch klein war der Herr Conte; weder schön noch
hässlich, das Gesicht - versteht sich - rasiert und die Künstlermähne nach hinten gekämmt. Er war immer
schwarz gekleidet, in der Art des Ancien régime, kurze Hosen, auch wenn lange Mode waren, schwarze Strümpfe,
flache Schuhe mit Silberschnallen, weiße Krawatte … kurios der Anspruch, das Schwert - wie die alten Ritter -
jeden Tag zu tragen … Von seinem gräflichen Palazzo in Recanati herab betrachtete er die Welt. Er war in
ständiger Korrespondenz mit den berühmtesten Reaktionären, Jesuiten, Legitimisten der Zeit.[ 2 ]
Und doch gelingt es Monaldo in den bedrückenden Jahren der Restauration nach den
napoleonischen Wirren, ein liebevoller Vater zu sein, auf seine Weise und natürlich nur
soweit es ein solcher Mann sein kann: ein unerschütterlicher Klerikaler, Nostalgiker,
ängstlich in die Zukunft schauend, welche auch immer es sein mochte. Er liebte seinen
Sohn, er hat ihn aber nie wirklich verstanden. Giacomo war in seinen Gefühlen ihm
gegenüber, wie häufig in solchen Fällen, zwischen Hass und Liebe hin- und hergerissen.
Am Ende muss die Liebe überwogen haben, was wir aus den Anreden in den Briefen
schlussfolgern dürfen. Die ersten wenden sich an ihn als «Mein Herr Vater», was dann in
ein weniger rigides «Lieber Herr Vater» übergeht, und in seinen letzten, herzzerreißenden
Briefen nennt er ihn liebevoll «Liebster Papa».
Sehr viel eindeutiger waren Giacomos Gefühle gegenüber seiner Mutter Adelaide Antici.
Als der Conte Monaldo sie 1797 zur Frau nimmt, ist die Marchesina Adelaide neunzehn
Jahre alt. Sie wird zehn Kinder gebären, von denen fünf überleben, und sich schnell zu
 
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