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meiner ersten Entgegnung wechselte er auf einen Schlag den Ton und seine Gesellschaft
wurde ganz brav und freundlich wie eine Herde Schafe.»
Nachdem er Spoleto hinter sich gelassen hat, geht die Reise über Terni, Narni, Otricoli,
Cività Castellana schließlich nach Rom. Die Stadt kündigte sich schon von der Anhöhe der
Straße aus an, mit ihrer zerklüfteten Silhouette aus Kirchtürmen und Kuppeln und dem
majestätisch über allem thronenden Petersdom. Das Spektakel beeindruckt ihn. Seiner
Schwester Paolina schreibt er (am 3. Dezember): «Die Kuppel habe ich trotz meiner
Kurzsichtigkeit aus fünf Meilen Entfernung gesehen … und ich habe sie ganz deutlich
gesehen mit ihrer Kugel und ihrem Kreuz, genauso deutlich wie ihr von euch aus den
Apennin seht.»
Ich bin dieselbe Strecke gefahren, nur in entgegengesetzter Richtung, also von Rom
nach Recanati. Ich wollte die Silhouetten der Berge, die Schluchten, die borstigen
Bergrücken, die Mauern sehen, die er gesehen hatte, zum Beispiel jene
«furchteinflößenden» von Spoleto, die heute mit Sicherheit niemandem mehr Furcht
einflößen, ebenso wie niemandem die riesige Rocca Albornoziana Furcht einflößt, die die
Stadt überragt. Seltsam, die Geschichte dieser Burg, die Innozenz VI. als Bollwerk zur
Verteidigung der kirchlichen Territorien errichten ließ. Sein Gesandter, Kardinal Egidio
Albornoz, rief den Architekten Matteo di Giovanello, der «Gattapone» genannt, und
beauftragte ihn mit dem Bau. Das war 1362. Einige Jahrhunderte lang spielte die Burg in
Spoleto eine wichtige Rolle. Die beherrschende Position, der Komfort, mit dem sie
ausgestattet war, erlaubten es, dort einige der größten Persönlichkeiten der Zeit logieren
zu lassen. Lucrezia Borgia, um nur ein Beispiel zu nennen, Tochter von Papst
Alexander VI., war gegen Ende des 15. Jahrhunderts einige Wochen lang Gouverneurin
von Spoleto. Später nutzte die päpstliche Regierung die Burg als Gefängnis, und das blieb
sie bis 1982, auch im Königreich Italien und in der Repubblica Italiana.
Die italienische Geschichte ist so reich an Verweisen und Querverbindungen, dass man
ständig Gefahr läuft, auf Umwege zu geraten. Wir kehren zu Leopardi und seiner Reise
nach Rom zurück. Natürlich hat sich viel verändert seitdem, vor allem die Anzahl der
Häuser entlang der Straße und die Siedlungsdichte. Einige Straßenabschnitte sind aber,
aus der Kurvenabfolge und dem Auf und Ab zu schließen, so geblieben wie damals,
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